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Blinde Voegel

Blinde Voegel

Titel: Blinde Voegel
Autoren: Ursula Poznanski
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gelungen, in ihm die gleiche Zuversicht zu wecken wie in Beatrice: das vollkommen irrationale Gefühl, dass vor der Halle jemand war, der sich um sie kümmerte und sie schützte.
    «Wir wollten über Ira sprechen», sagte er.
    Das Feuerzeug schnappte auf. Wieder zu.
    «Sie war ein so kluges Mädchen», begann Ribar. «Wissen Sie, ich hätte erkennen müssen, dass ich meine Vergangenheit nicht einfach ignorieren kann, solange noch jemand unter dem leidet, was ich getan habe. Es war nicht genug, ein neues, besseres Leben zu beginnen, aber ich wollte es so gerne behalten.» Das Auge, das nicht zugeschwollen war, blinzelte heftig.
    «Lassen Sie mich gleich mit einem Geständnis anfangen: Ich war es, der Rajko in den Fluss gestoßen hat. Das belastet mein Gewissen übrigens nicht.» Sein Ton heischte Zustimmung, doch Nikolas Miene blieb wie aus Stein. «Nachdem Sarah und Gerald gefunden worden waren, hat er mich vor der Redaktion abgefangen, hat herumgeschrien, ich konnte ihn nur mühsam beruhigen. Dummerweise hatte er aus den Fragen, die Momcilo und Zosim ihm stellten, die richtigen Schlüsse gezogen – dass er verprügelt wurde, weil ich glaubte, dass die beiden jungen Leute mit dem Foto von ihm geschickt worden waren. Er redete wirres Zeug. Dass er mit der Polizei sprechen würde, alles offenlegen und so weiter.» Wieder tastete er Nikolas Gesicht mit Blicken ab, wohl in der Hoffnung, dass Dulovićs Tod ihm Punkte einbringen würde. «Ich habe ihn beruhigt. War mit ihm etwas trinken und eine Runde im Grünen spazieren, dort habe ich ihn ermutigt, sich einen Schuss zu setzen. Sein eigener Stoff, von mir gekauft und an ihn zurückgeschenkt. So etwas hat Rajko gefallen. Danach war es einfach, ich glaube, er hat es nicht einmal gemerkt.»
    Ribar war geübt mit Worten, natürlich, sonst wäre es ihm nur schwer möglich gewesen, sich die Identität eines Journalisten überzustülpen. Doch während seiner Erzählung war noch eine andere Seite von ihm ans Licht gekommen, die Beatrice bisher nicht aufgefallen war: ein manipulativer Zug, den er geschickt als Offenheit tarnte.
    «Dein früherer Schlächterkumpel interessiert mich nicht», erklärte Nikola schließlich. «Aber Ira. Wie hast du sie getötet? Nicht warum, das ist mir schon klar. Wie.»
    Ribars Blick irrte zu Beatrice, und sie ahnte, weswegen. Wenn er etwas erzählte, das freundlicher klang als die Wahrheit, würde sie ihn dann verraten?
    «Es ist schnell gegangen», sagte er zögernd. «Sie hat es kaum gespürt.»
    Ein beunruhigendes Lächeln verzerrte Nikolas Gesicht. «Das ist wohl dein Spezialgebiet? Töten, ohne dass das Opfer es merkt? Bei Dulović, bei Ira – auch meiner Mutter hast du sehr gnädig in den Kopf geschossen, genauso wie meiner kleinen Schwester. Andere in deinem Trupp waren da viel phantasievoller, nicht?»
    Man konnte förmlich sehen, wie Ribar nach einer Antwort rang. «Ich war nie jemand, der Spaß am Quälen hatte», brachte er schließlich mühsam heraus.
    «Ira», wiederholte Nikola leise, fast zärtlich. «Wie?»
    Von draußen waren wieder Geräusche zu hören, schwer zu interpretieren. Ein Dieselmotor startete, etwas schlug gegen die Wand.
    Beatrice spannte ihre Muskeln an und bewegte die tauben Finger. «Bitte», warf sie ein. «Lassen Sie uns das Gespräch anderswo fortführen. Sorgen Sie dafür, dass die Öffentlichkeit erfährt, was Frank Heckler getan hat. Er soll es vor Gericht gestehen, Irena und Marja sollen Gelegenheit bekommen, ihm gegenüberzutreten, wenn sie es möchten. Aber das ist nur möglich, wenn sie ihn jetzt am Leben lassen.»
    Schnapp, machte das Feuerzeug. «Wie?»
    Ribar schluckte, er brauchte mehrere Ansätze für das, was er schließlich sagte.
    «Ich ha… habe sie … gestoßen.»
    «Ins Wasser?»
    «Vor … einen Zug.»
    Eine schnelle Bewegung mit dem Daumen, und aus dem Feuerzeug sprang ein Flämmchen, winzig zuerst, dann reckte es sich höher.
    «Ich habe alles gesagt», schrie Ribar, «alles, was Sie wollten!»
    War es Nikolas Absicht, oder waren es Ribars verzweifelte Bewegungen? Beatrice wusste es nicht, aber sie hörte, was passierte, bevor sie es sah. Einen Laut, als hätte jemand einen Gasherd angemacht. Dann ein Kreischen, so hoch, als käme es von einem Kind. Im ersten Moment war Ribar wie in eine leuchtend blaue Aura getaucht, dann erst färbten die Flammen sich gelb.
    «Zugriff!», brüllte Beatrice, versuchte gleichzeitig, vor dem brennenden Mann zurückzuweichen, mit diesen lächerlich kleinen
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