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Blind

Blind

Titel: Blind
Autoren: Joe Hill
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Herkunftsstaaten nannte, eine Angewohnheit, die nur wenige mochten, da sie nicht gern an die Person erinnert wurden, die sie mit ihrem Zombie-Make-up auszulöschen versuchten. Georgia war dreiundzwanzig.
    »Blöde Viecher«, sagte sie und schob einen der Hunde mit der Ferse zur Seite. Sie scharwenzelten um Judes Beine herum, der Duft des Specks machte sie ganz kirre. »Die Scheißhunde haben mich geweckt.«
    »Vielleicht haben die Scheißhunde gewusst, dass es Zeit zum Aufstehen ist. Schon mal daran gedacht?«
    Wenn man sie ließ, stand sie nie vor zehn auf.
    Sie beugte sich vor und suchte im Kühlschrank nach dem Orangensaft. Er mochte den Anblick, wenn die Bündchen ihres Slips in das fast zu weiße Fleisch ihresHinterns schnitten. Er schaute weg, als sie direkt aus der Tüte trank und diese dann, natürlich, auf der Theke stehen ließ. Wenn er sie nicht wieder zurückstellte, würde sie dort vergammeln.
    Er war froh um die Bewunderung der Goth-Girls. Noch mehr schätzte er den Sex, die gelenkigen, athletischen, tätowierten Körper und dass sie so scharf auf die etwas abseitigeren Spielchen waren. Aber er war auch einmal verheiratet gewesen, mit einer Frau, die morgens die Zeitung las und die ein Glas benutzte und Dinge wieder an ihren Platz stellte, wenn sie sie nicht mehr brauchte. Er vermisste ihre Gespräche. Erwachsenengespräche. Sie war keine Stripperin gewesen, und sie hatte nicht an Wahrsagerei geglaubt. Es war eine erwachsene Partnerschaft gewesen.
    Mit einem Steakmesser schlitzte Georgia das UPS-Paket auf und legte das Messer dann einfach auf die Theke. An der Klinge hing noch Klebeband.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    In dem Paket befand sich noch eine zweite Schachtel. Sie saß ziemlich fest, und Georgia musste eine Zeit lang ziehen und zerren, bis die innere Schachtel schließlich vor ihr auf der Theke lag. Sie war groß, glänzend schwarz und hatte die Form eines Herzens. Pralinen verpackte man in solchen Schachteln, aber die hier war zu groß für Pralinen, außerdem waren Pralinenschachteln rosa oder gelb. Es war eher eine Verpackung, die zu Dessous passte, allerdings hatte er nichts Derartiges für sie bestellt. Er runzelte die Stirn. Er hatte keine Ahnung, was in der Schachtel sein könnte. Gleichzeitig hatte er irgendwie das Gefühl, dass er es eigentlich wissen müsste, dass die herzförmige Schachtel etwas enthielt, auf das er schon gewartet hatte.
    »Ist das für mich?«, fragte sie.
    Sie klappte den Deckel auf, nahm heraus, was sich in der Schachtel befand und hob es hoch, damit er essehen konnte. Es war ein Anzug. Irgendwer hatte ihm einen Anzug geschickt. Er war schwarz, altmodisch geschnitten. Genaueres konnte man nicht erkennen, da er in der Plastikhülle einer Trockenreinigung steckte. Georgia hielt sich den Anzug vor den Körper – wie ein Kleid, das sie anprobieren wollte, aber nicht ohne vorher seine Meinung zu hören. Als sie ihn fragend anschaute, wurde zwischen ihren Augenbrauen eine hübsche Falte sichtbar. Einen Augenblick lang konnte Jude sich an nichts erinnern, wusste nicht, was es mit dem Anzug auf sich hatte.
    Er öffnete den Mund, um ihr zu sagen, dass er keine Ahnung habe, doch stattdessen hörte er sich in der nächsten Sekunde sagen: »Das ist der Anzug von dem Toten.«
    »Was?«
    »Der Geist«, sagte er, während ihm alles wieder einfiel. »Ich habe einen Geist gekauft. Irgend so eine Frau war fest davon überzeugt, dass ihr toter Stiefvater sie und ihre Tochter verfolgt. Also hat sie den rastlosen Geist ins Internet gestellt, und ich habe ihn für einen Tausender gekauft. Das ist sein Anzug. Die Frau glaubt, dass der Anzug die Ursache für den ganzen Spuk ist.«
    »Cool«, sagte Georgia. »Willst du ihn tragen?«
    Seine Reaktion überraschte ihn selbst. Er bekam eine Gänsehaut, spürte ein seltsam raues Kribbeln auf der Haut. Einen unbedachten Augenblick lang erschien ihm der Gedanke obszön.
    »Nein«, sagte er. Sie warf ihm einen kurzen, überraschten Blick zu. Sie glaubte, etwas Kaltes, Lebloses in seiner Stimme gehört zu haben. Ihr leicht blasiertes Grinsen sagte ihm, dass er … nun ja, nicht gerade verängstigt geklungen haben musste, aber doch für einen Moment schwach. Er fügte hinzu: »Er passt mir sowieso nicht.« Tatsächlich hatte es jedoch ganz den Anschein, als hätte der Poltergeist zu Lebzeiten in etwa seine Größe und sein Gewicht gehabt.
    »Vielleicht nehme ich ihn«, sagte Georgia. »Ein bisschen was von einem rastlosen Geist habe ich ja.
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