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Blind ist der, der nicht lieben will

Blind ist der, der nicht lieben will

Titel: Blind ist der, der nicht lieben will
Autoren: Mathilda Grace
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ein verdammt schlechter Freund.
    Womit er ebenfalls wieder beim Thema war. Beide Hände tief in den Taschen seines Jacketts vergraben, seufzte Nick leise und sah kurz auf, als vor ihm auf der Straße mehrmals gehupt wurde. Wieso standen in Baltimore sogar mitten in der Nacht die Ampeln ständig auf rot? Wobei 'mitten in der Nacht' ein wenig übertrieben klang, wenn man bedachte, dass es gerade erst elf Uhr abends war. Aber unter der Woche konnte man in einigen Ecken der Stadt ab acht Uhr die Bürgersteige hochklappen und Ians schummriger Pub, den er eben auf direktem Wege ansteuerte, lag in so einer Ecke.
    Vielleicht freute sich der alte Vietnamveteran, ihn nach einiger Zeit der Abstinenz wieder bei sich zu haben. Es war einen Versuch wert, und wenn er Glück hatte, bekam er bei Ian nicht nur dessen freundliches Gesicht zu sehen, sondern auch noch ein paar Whiskey und ein gutes Essen vor die Nase gestellt. Nick wollte sich heute Abend nur entspannen. Seine Fälle, die Akten auf dem Tisch und die damit verbundene Arbeit, aber vor allem seinen Streit mit Tristan, einfach für ein paar Stunden vergessen. Hoffentlich gelang es ihm, denn sein Magen knurrte seit Stunden, seine Laune war jenseits von Gut und Böse und morgen musste er um neun Uhr bei Adrian im Büro antanzen, um den weiteren Verlauf seines Falles zu besprechen.
    Er hatte weder auf Adrian noch eine todlangweilige Besprechung Lust, deren Ausgang ohnehin vorbestimmt war, denn sein Mandant war schuldig. Aber Staatsanwalt Quinlan gehörte nun mal nicht zu der Sorte Mann, die eine Absage klaglos akzeptierten. Besonders nicht, wenn sie von ihm kam, wobei Nick die Worte 'Leck mich am Arsch' in dem Fall weitaus lieber gewesen wären. Da bei Adrian allerdings die Gefahr bestand, dass der so eine Aufforderung wörtlich nahm, hatte er sich die beleidigende Äußerung verkniffen und stattdessen mit einem Nicken sein Kommen zugesagt. Eine andere Reaktion hätte Adrian ihm später mit sehr großer Wahrscheinlichkeit heimgezahlt. Was Rachsucht anging, konnte sich Staatsanwalt Quinlan mit Sturkopf Bennett die Hand reichen, nur dass sie ihre Rache auf unterschiedlichen Ebenen vollführten. So unterschiedlich wie Tag und Nacht, um genau zu sein. Aber Nick hatte nicht vor, Tristan zu erzählen, welche Art von Beziehung ihn mit Adrian Quinlan verband. Manche Dinge gingen auch den besten Freund nichts an.
    Mit den Gedanken bei Tristan, zog Nick einige Minuten später die Tür vom Pub auf und tauchte in das schummrige Licht ein, welches den Laden beherrschte, seit Ian ihn vor zwanzig Jahren eröffnet hatte. Ians Pub war klein, vollgestopft mit allem möglichen und unmöglichen Kram, den sein Besitzer mit Begeisterung sammelte, und trotzdem war er urgemütlich. Deshalb kam Nick seit vielen Jahren gern hierher. An diesem Ort konnte man sich zu jeder Tages- und Nachtzeit wohl fühlen und bekam oftmals noch einen Rat fürs Leben mit auf den Weg, wenn man den Pub verließ. Ian hatte in Vietnam zwar ein Bein verloren, dafür aber einen schier unerschöpflichen Vorrat an Weisheiten für sich gewonnen, und die teilte er gern.
    Nick ließ die Stimmen der Gäste und den Geruch von Zigarren und Essen kurz auf sich wirken, bevor er die Tür hinter sich zuzog, um sich einen Platz an der Bar zu suchen. Der Tresen begann direkt zu seiner Linken und zog sich durch den ganzen Pub, während rechts von ihm Tische, auf denen je ein Windlicht stand, den restlichen Raum ausfüllten. Zwischen ihnen war gerade soviel Platz, dass Ians Bedienungen mit ihren vollen Tabletts und schwingenden Hüften die Tische erreichen konnten. Irgendwo weiter hinten, neben der Tür zu den Toiletten, stand eine uralte Musikbox, die eigentlich immer in Betrieb war. Nick konnte sich zumindest nicht daran erinnern, dass in Ians Pub einmal keine Musik gespielt hatte.
    Nachdem er sich auf einen Barhocker geschwungen hatte, ließ er seinen Blick über den Raum schweifen und entdeckte Ian ein Stück weiter hinten in ein angeregtes Gespräch mit einem seiner Gäste vertieft. „Hey, Soldat. Bekommt man hier auch was zu trinken, oder muss ich mich etwa selbst bedienen?“
    Verhaltenes Gelächter folgte seinen Worten, während Ian abrupt herum fuhr und ihn einen Moment überrascht anschaute, bevor er mit einer für sein Alter erstaunlichen Behändigkeit auf ihn zukam, um ihn vom Hocker zu reißen und in einer so heftigen Umarmung zu versenken, dass Nick nach Luft schnappen musste.
    „Ich glaub's ja nicht. Der verlorene
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