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Blick in Die Angst

Blick in Die Angst

Titel: Blick in Die Angst
Autoren: Chevy Stevens
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dann frage ich mich, ob sie noch leben würden, wenn ich zur Polizei gegangen wäre, gleich nachdem du das erste Mal hier warst.« Ihr Gesicht war blass und verriet ihre heftigen Gewissensbisse. Innerhalb weniger Wochen schien sie um zehn Jahre gealtert zu sein.
    Ich wischte meine Tränen fort und holte ein paarmal Luft. »Wir können uns bis in alle Ewigkeit den Kopf darüber zerbrechen, aber wir wissen nicht, was Aaron sonst noch geplant haben könnte. Wusste Daniel, dass Joseph in der Kommune Feuer legen würde?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er hätte sie gewarnt.«
    »Und du hast keine Ahnung, wo Daniel jetzt steckt? Oder Joseph? Haben sie irgendwo einen Unterschlupf?«
    Sie sah mir in die Augen. »Ich weiß nicht, wo die beiden sind. Tut mir leid.«
    Ich sah die Aufrichtigkeit in ihrem Blick und die Traurigkeit und spürte, wie es mich ebenfalls hinunterzog.
    »Levi weiß auch nichts.« Ich lehnte mich gegen den Zaun und beobachtete die Pferde. »Ich habe vorhin mit ihm gesprochen. Er hat mir etwas über meine Mutter erzählt, ein paar Sachen, die damals in der Kommune passiert sind.«
    Ich spürte, dass Mary mich ansah. »Du siehst aus wie sie«, sagte sie, »aber du bist viel stärker. Sie hat ständig von dir gesprochen. Sie war an dem Abend hier, an dem sie starb.«
    Überrascht drehte ich mich zu ihr um. »Ich habe nie richtig darüber nachgedacht, was sie an jenem Abend gemacht hat. Dad hat nur gesagt, sie sei mit dem Auto unterwegs gewesen.«
    »Kate und ich sind in Verbindung geblieben. Wir haben uns nicht oft gesehen, aber manchmal, wenn sie sich mit deinem Dad gestritten hat, kam sie hierher, und wir haben einen Joint zusammen geraucht.«
    Vor meinem geistigen Auge schien das Bild von zwei Frauen auf, die auf der hinteren Veranda saßen, verbunden durch gemeinsame Erinnerungen an die Kommune und eingehüllt in den süßlichen Duft des Marihuanas, der ihnen folgte, wohin sie auch gingen.
    »Was hat sie in jener Nacht hier gewollt?«
    »Du hattest sie besucht und nach der Kommune gefragt. Das hat einige alte Wunden aufgerissen. Lange Zeit fühlte sie sich ziemlich schlecht wegen der Sache mit Finn.« Sie sagte den letzten Satz, als wolle sie das Terrain sondieren, als überlege sie, wie viel Levi mir erzählt hatte.
    »Wusstest du, dass es ihre Schuld war?«
    Sie nickte. »Ich war bei ihr, als Aaron ihr erzählte, was Levi ausgesagt hatte. Sie war furchtbar aufgeregt – sie war so stoned gewesen, dass sie sich kaum daran erinnern konnte, mit Finn weggegangen zu sein, aber sie wusste, dass sie es getan hatte. Sie hatte ihn irgendwo zurückgelassen und wollte zurückgehen, um ihn zu holen, aber dann war sie auf der Wiese eingeschlafen. Sie wollte es der Polizei selbst erzählen, aber Aaron sagte, dass das Jugendamt dann dich und deinen Bruder abholen würde.«
    Neue Erinnerungen tauchten auf. Finns Mutter war schluchzend zu Boden gesunken und schrie, dass man ihr ihr Baby gestohlen hätte. Meine eigene Mutter weinte im Hintergrund, und Mary hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt.
    »Was ist eigentlich aus dem ganzen Marihuana geworden?«
    Sie blickte zu Boden, sah mich dann schräg von der Seite an. Sie vertraute mir immer noch nicht.
    Ich sagte: »Ich werde der Polizei nichts verraten, wenn du irgendetwas damit zu tun hast.«
    Sie musterte mich einen Moment, dann sagte sie: »Es gab da einen Fahrer von einem Holztruck, der immer vorbeikam – die Mädchen gefielen ihm. Wir haben ihm den Pot ballenweise gegeben, und er hat ihn für uns verkauft. Dafür hat er einen Teil des Profits für sich behalten.«
    Larry und sein roter Truck. Jetzt erinnerte ich mich an das Geräusch der hydraulischen Bremsen, in der Nacht, als Finn verschwand. »Also hat er es weggeschafft, bevor die Polizei kam?«
    Sie nickte. »Wir haben es hoch zur Straße gebracht, und er hat es auf seinen Truck geladen. Danach wollte er einen größeren Anteil haben. Deshalb hat Aaron beschlossen, Shawnigan zu verlassen – er traute ihm nicht. Also erklärte ich ihm, hierzubleiben und die Dinge im Auge zu behalten.«
    »Meine Mutter hat mir erzählt, sie wollte die Kommune nach Finns Tod verlassen, aber sie hat mir nie erklärt, woher mein Vater wusste, dass er uns abholen sollte.«
    »Sie hat deinem Vater im Laden eine Nachricht hinterlassen. Hat ihm geschrieben, dass sie nach Hause wollte, sich aber vor Aaron fürchtete.«
    »Wollte er sie nicht gehen lassen?«
    »Sie hat nicht gefragt. Nach Finns Tod haben wir geredet, und sie wollte
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