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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
Autoren: Andreas Winkelmann
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mehr konnte sie aus ihrer Position nicht erkennen.
    Die Gedanken wirbelten ihr nur so durch den Kopf.
    Sie war entführt worden. Sie würde vergewaltigt und ermordet werden, es sei denn, sie konnte flüchten.
    Wo war ihr Handy?
    Wo hatte sie es nach dem Training gelassen?
    Sie sah sich im Umkleideraum auf der Bank vor den Spinden sitzen, sah sich die Wasserflasche aus der Sporttasche nehmen und einen großen Schluck trinken. Sie war völlig ausgelaugt gewesen, so wie immer. Hatte sie das Handy aus der Tasche genommen? Dieser Automatismus, nach einem Anruf oder einer SMS zu sehen, entzog sich oft der Erinnerung, aber Miriam meinte, genau das getan zu haben. Und danach? Wahrscheinlich war das Handy wieder in der Tasche gelandet.
    Oder doch in der Trainingsjacke?
    Miriam bewegte die rechte Hand. So langsam, dass es ihr wie eine Ewigkeit vorkam, bis sie endlich die seitlich an der Trainingsjacke angebrachte Tasche erreichte. Die Enttäuschung hätte nicht größer sein können. Das Handy war nicht da. Sie wiederholte die Prozedur auf der linken Seite mit demselben Ergebnis.
    Was nun?
    Denk nach, denk nach, denk nach! Frauen sterben, weil sie den Kopf verlieren, weil sie nicht ruhig bleiben, weil sie in solchen Situationen nicht strukturiert denken, du weißt das!
    Nicht in Panik geraten war das erste und wichtigste Gebot.
    Waren die hinteren Türen verriegelt?
    Miriam wagte es, hob den Kopf ein klein wenig an, konnte aber keinen Verriegelungsknopf sehen. Wahrscheinlich war es ein neuerer Wagen, bei dem nur noch kleine rote Lämpchen anzeigten, ob die Türen verschlossen waren. Egal. Solange er so schnell fuhr, konnte sie ohnehin nicht hinausspringen.
    Sie ließ den Kopf wieder sinken, blinzelte aus halb geschlossenen Lidern zum Dach empor und bemühte sich, nicht in Panik zu verfallen. Obwohl sie so angespannt war, schlug ihr Herz auffallend langsam. Außerdem schwitzte sie nicht; sogar ihr Mund war völlig ausgetrocknet, die Lippen klebten aneinander. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Vorhin dieser alles überwältigende Alptraum, von den Bäumen angegriffen zu werden, nur noch auf einem schmalen Grat zu fahren, und dann … Sie musste das Bewusstsein verloren haben, denn sie konnte sich nicht daran erinnern, wie sie in diesen Wagen gekommen war.
    Plötzlich verschwand die Hand vom Beifahrersitz. Der Mann drehte den Kopf, warf ihr einen Blick zu, sah dann sofort wieder nach vorn, betätigte den Blinker und schaltete die Gänge herunter. Hatte er bemerkt, dass sie wach war? Miriam glaubte es nicht. Dafür war es hier hinten zu dunkel und sein Blick war zu flüchtig gewesen. Es konnte nur von Vorteil für sie sein, wenn er weiterhin glaubte, dass sie ohne Bewusstsein war.
    Der Wagen wurde langsamer. Das zuvor gleichmäßige Summen der Reifen auf Asphalt wurde abgelöst von Knirschen und Holpern. Er hatte die Straße verlassen und war auf einen unbefestigten Weg abgebogen. Miriams Magen zog sich zusammen. Ein unbefestigter Weg konnte nur bedeuten, dass sie sich fernab der Stadt und fernab irgendwelcher Häuser befanden. Auf sich aufmerksam machen war das zweite Gebot, doch das konnte sie vergessen, wenn es in der Nähe niemanden gab, der ihre Schreie hören würde.
    Blieb nur noch das dritte und letzte Gebot: Nicht zum Opfer werden!
    Obwohl die Angst in ihr immer mehr Raum einnahm, wollte Miriam sich unbedingt an die Gebote ihres Trainers halten und alles dafür tun, damit der Fremde kein leichtes Spiel mit ihr haben würde.
    Der Wagen hielt, der Motor erstarb.
    Sie hörte, wie der Zündschlüssel abgezogen wurde, dann kehrte Stille ein. Der Mann saß einfach nur da, schien nicht einmal mehr zu atmen. Auf was wartete er? Beobachtete er die Umgebung, um sich davon zu überzeugen, dass er allein war?
    Miriam drückte sich schmerzhaft die Fingernägel in die Handballen und presste die Kiefer fest aufeinander, versuchte so, das Zittern zu unterdrücken.
    Immer wenn das Mondlicht die zerrissene Wolkendecke durchbrach, wurde es etwas heller im Wagen, und sie hätte die Chance gehabt, einen Blick auf den Fremden zu werfen. Doch sie traute sich nicht, ihre Augen mehr als nur einen schmalen Spalt zu öffnen.
    Der Mann bewegte sich und brachte den Wagen ins Schaukeln. Sie spürte ihn ganz nahe, konnte seinen leisen Atem hören. Er starrte sie an, wollte herausfinden, ob sie noch bewusstlos war.
    Ruhig, ganz ruhig, hier im Auto wird er dir nichts tun …
    Miriam konzentrierte sich, ließ ihren Atem ruhig und gleichmäßig
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