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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
Autoren: Andreas Winkelmann
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der helle Strich einer Narbe.
    Plötzlich wusste sie auch wieder, wo sie die beiden hinstecken sollte.
    »Sie gehen bei häuslicher Gewalt vor, oder?«
    Tanja Schildknecht nickte. Ihr Kollege streckte ebenfalls die Hand aus und stellte sich als Hartmut Siek vor. Ein Mittvierziger mit vollem, dunkelblondem Haar, Dreitagebart und mürrischem Gesichtsausdruck.
    »Wie gefällt es Ihnen bisher?«, fragte Nele.
    »Super! Die Sternberg macht das echt gut. Da bleibt jede Info haften.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass Sie es in Ihrem speziellen Bereich mit einigen Psychopathen zu tun bekommen.«
    Tanja schüttelte den Kopf, und ihr Pferdeschwanz schwang eifrig mit, als wolle er die Geste unterstreichen.
    »Die meisten sind nur echt verzweifelte Menschen, richtig arme Säue, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die haben nie gelernt, ihre Probleme durch Kommunikation zu lösen, also prügeln sie. Das rechtfertigt natürlich nicht ihr Verhalten, aber es ist zumindest eine Erklärung. Aber so einen richtig eiskalten Typen, der seine Frau schlägt, weil es ihn befriedigt … Das ist selten. Ich hatte bisher nur einen solchen Fall. Die Meyers … Weißt du noch, Hartmut?«
    Hartmut Siek nickte, schien zu dem Gespräch aber nichts beitragen zu wollen.
    »Aber der Schrankenmörder, der war doch ein Psychopath, oder?«, fragte Tanja leise.
    Und wieder wurde Nele an Karel Murach erinnert, der auf die eine oder andere Art wohl immer Bestandteil ihres Lebens bleiben würde. Er hatte ihre Lebensgefährtin Anouschka Rossberg damals in die Katakomben von Eibia tief im Wald und unter der Erde verschleppt und schwer verletzt. Sie hatte mit viel Glück überlebt, aber der Schrecken verfolgte sie bis heute.
    Nele hatte versucht, die Erinnerung zu verdrängen, doch das war nicht möglich. Nicht in diesem Umfeld.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt … Ich weiß es bis heute nicht. Keine Ahnung, was er war. Deshalb bin ich ja hier. Um diese Menschen besser verstehen und einschätzen zu können.«
    Tanja nickte. »Ich auch. Aber manchmal frage ich mich, ob ich diese Leute überhaupt verstehen will.«
    Nele sah der jungen Frau in die Augen. Sie entdeckte darin die gleiche Angst, die sie in sich selbst spürte.
    Die Angst vor der Bestie Mensch.
    Zwei Stunden lang hatte Alexander Seitz konzentriert eine Mail nach der anderen gelesen, und trotzdem hatte er noch nicht einmal ein Drittel des Postfachs geschafft. Jetzt hatte er die Schnauze voll von dem Kinderkram, außerdem tat ihm der Rücken weh, seine Augen brannten, und das Verlangen nach Alkohol wurde immer stärker.
    Er lehnte sich nach hinten und streckte die Arme über den Kopf. Mit einer raschen Bewegung ließ er die Halswirbel laut knacken. Dann drehte er sich um, weil er meinte, hinter sich eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Natürlich hatte er sich getäuscht. Er war allein in seiner Hütte, wie meistens.
    Er brauchte dringend einen Whisky!
    Alex griff nach dem leeren Glas vor sich. Dabei blieb sein Blick an dem Teller hängen, auf dem von seinem natürlich vor dem PC eingenommenen Abendessen noch eine mit Käse belegte Scheibe Brot übrig geblieben war, deren vertrocknete Ränder sich nun nach oben bogen. Alex nahm den Teller mit und kippte das Brot in den Mülleimer, aus dem ihm ein Schwall üblen Gestanks entgegenschlug. »Scheiße!«, fluchte er und klappte schnell den Deckel wieder zu. Dann schnappte er sich den Eimer und brachte ihn hinaus auf die Terrasse. Es war bitterkalt. Die paar Sekunden nur im T-Shirt reichten für ein unangenehmes Frösteln.
    Zurück in der Küche entschied er sich spontan gegen einen weiteren Drink, tat stattdessen einen großen Löffel Instantkaffee in eine Tasse und setzte Wasser auf. Während er wartete, dass es kochte, dachte er darüber nach, was er bisher erreicht hatte.
    Er gab es nicht gern zu, aber eigentlich war das so gut wie nichts. Der Rechner des Mädchens war total zugemüllt und unstrukturiert. Es würde noch Tage dauern, allein die Mails zu sichten, dabei kotzte ihn das belanglose Palaver jetzt schon an. Wer liebt wen, wer hasst wen, welche Promis ficken zusammen. Als ob die Welt keine anderen Probleme hätte.
    Aber gut, er bekam eine Stange Geld dafür, also musste er da durch. Und wenn er etwas machte, dann richtig. Er würde keine einzige Mail auslassen, weil jede die Information enthalten konnte, nach der er suchte.
    Das Wasser kochte. Alex übergoss das Kaffeepulver und kehrte mit der Tasse in der Hand ins Wohnzimmer
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