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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
Autoren: Andreas Winkelmann
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bis zu der Tür auf der anderen Seite und zog auch die vorsichtig auf. Der nächste Schritt führte sie in eine lang gestreckte Schwimmhalle. Vor ihr lag ein vielleicht zwanzig Meter langes, blau gekacheltes Becken ohne Wasser.
    Thomas stand am Rand des Beckens und starrte hinein. Er hatte sie noch nicht bemerkt. Gerade bückte er sich nach einem der beiden großen Kanister, die er aus der Garage mitgenommen hatte, und drehte den Deckel ab. So wie es aussah, hatte er vor, die Flüssigkeit in das Becken zu kippen.
    Nicola zog den Brief, den sie vom Garagenboden aufgehoben hatte, aus der Tasche ihrer Hose. Sie wusste, dass sie ihren Mann aufhalten musste, bis die Polizei eintraf, und vielleicht würde sie mit Hilfe des Briefes jetzt schaffen, was ihr vorhin nicht gelungen war. »Thomas … Was tust du hier?«, rief sie laut und deutlich.
    Ihre Stimme hallte wider.
    Er wirbelte herum.
    »Du!«, stieß er ungläubig hervor und stellte den Kanister ab.
    Die klare Flüssigkeit darin schwappte hin und her.
    »Lies den verdammten Brief«, schrie sie ihn an und hielt ihm den Umschlag entgegen. »Es geht um deinen Sohn.«
    Und diesmal griff er zu. Er öffnete den Umschlag, ließ ihn zu Boden fallen, faltete den Brief auseinander und las.
    Nicola, die den Text auswendig kannte, las in Gedanken mit.
    Sehr geehrte Frau Sadowski,
    wir möchten Ihnen mitteilen, dass Manngold Pharma im Rahmen einer klinischen Studie Teilnehmerinnen mit dem hormonell-funktionellen Störungsbild sucht, wie es bei Ihnen vorliegt. Es bestehen im Rahmen dieser Studie gute bis sehr gute Chancen auf Einleitung einer Schwangerschaft, da die neue Medikamentation die hormonelle Störung hemmt bzw. in den zeitlichen Ablauf eingreift.
    Wir möchten darauf hinweisen, dass die Teilnahme an dieser Studie nicht mit Risiken verbunden ist und die Kosten komplett übernommen werden. Bitte setzen Sie sich zwecks eines weiterführenden Gesprächs mit uns in Verbindung. Beginn der Studie ist laut Manngold Pharma der 01. März 2009. Hochachtungsvoll
    Dr. Dillenburg und Partner
    Thomas sah sie fragend an.
    »Was bedeutet das?«
    »Das bedeutet, du hast verloren«, sagte Nicola. »Seit einem Jahr besteht die Chance, schwanger zu werden, aber ich habe sie nicht genutzt.«
    »Das hättest du nicht tun sollen«, sagte er mit tonloser Stimme. Seine Augen waren dunkle Seen. Vor ihr stand nicht der Thomas Sadowski, in den sie sich damals verliebt hatte, der sie mit seinem Lächeln, seinem Charme und seiner liebevollen Aufmerksamkeit umgarnt hatte. Vor ihr stand auch nicht der Thomas Sadowski, der sie die zehn Jahre ihrer Ehe über immer wieder geschlagen, aber auch immer wieder umsorgt und beschützt hatte.
    Vor ihr stand Der Andere.
    Thomas hatte sich in ihm aufgelöst.
    Nicola schüttelte den Kopf. Sie suchte nach Worten, mit denen sie Den Anderen hinhalten konnte, ahnte aber schon, dass das nicht lange funktionieren würde. Was nützte das Betteln um Gnade vor einem Menschen ohne Gewissen?
    »Ich hätte schon längst etwas tun sollen«, sagte Nicola. »Viel mehr noch, als dir nur deinen Sohn vorzuenthalten.«
    »Dazu hattest du kein Recht.«
    »Doch. Ich hatte jedes Recht der Welt. Du hast kein Kind verdient.«
    »Was sagst du da?«, schrie er, und Speichel flog von seinen Lippen.
    »Du hast kein Kind verdient, weil du es niemals geliebt hättest. Diesen Kampf hast du verloren.«
    Mit einem infernalischen Schrei auf den Lippen stürzte Der Andere auf sie zu. Nicola, die mit dem Angriff gerechnet hatte, drehte sich um und rannte los. Wohin, war egal. Nur weg aus der Halle, weg von den Menschen dort unten im Becken, weg von den Kanistern.
    Sie lief durch den Umkleideraum, stieß sich an der Tür zum Vorraum die Schulter, spürte seinen Atem im Nacken, lief noch schneller, hinaus aus dem Gebäude und in den Wald hinein.
    Plötzlich hörte sie einen lauten Knall, und etwas zischte heiß an ihrer Wange vorbei.
    Nicola erschrak und stürzte.
    Sie zog den Kopf ein, weil sie damit rechnete, von Dem Anderen attackiert zu werden, doch das geschah nicht. Stattdessen hörte sie ihn schreien, und als sie zurückblickte, sah sie ihn vor der Tür der Halle am Boden liegen, beide Hände um sein Knie geschlungen. Blut strömte in den Schnee.
    Jemand packte sie und zog sie auf die Beine.
    »Hauen Sie ab«, sagte ein Mann, den Nicola nicht kannte. »Oben wartet die Polizei.«
    Dann ließ er sie los und ging zu Dem Anderen hinüber. Er trat ihm wuchtig in den Rücken, dann in den Magen und
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