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Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod

Titel: Bleicher Tod - Winkelmann, A: Bleicher Tod
Autoren: Andreas Winkelmann
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helle Streifen unterbrochen, sodass es aussah, als blickten die zusammengekniffenen Augen eines Riesen sie an.
    Nicola drückte sich noch dichter an den Baumstamm, versuchte mit ihm zu verschmelzen, so wie sie es stets mit den Ecken ihres Hauses versucht hatte, wenn ihr Mann sie geschlagen hatte. Das alte Gefühl der Hilflosigkeit war wieder da, und sie wünschte sich nach Hause zurück, wünschte sich, dass alles wieder so wäre wie früher.
    Der Wunsch war heiß und innig, aber sie wusste, er würde niemals in Erfüllung gehen. Sie selbst hatte dafür gesorgt, und jetzt musste sie noch einen Schritt weiter gehen und dafür sorgen, dass auch die anderen, von denen er gesprochen hatte, vor ihm in Sicherheit gebracht wurden.
    Nicola wartete noch eine halbe Minute, dann stieß sie sich von dem Baum ab und lief den abschüssigen Weg weiter hinunter. Im unteren Bereich mündete er in eine Reihe von Holzstufen, die von einer grünen, schmierigen Schicht überzogen waren. Nicola musste aufpassen, um nicht auszurutschen, und es ging nur langsam voran. Als sie endlich ebenen Boden erreichte, lief sie ohne zu zögern direkt auf das hallenartige Gebäude zu. Schon aus der Entfernung sah sie eine offenstehende Tür in der Giebelwand. Aber noch bevor Nicola sie erreichte, gellte ein markerschütternder Schrei durch die Nacht.
    »Neeiiiiiiin.«
    Sie erstarrte, schloss kurz die Augen, atmete tief ein und aus und betrat dann das Schwimmbad.
    Der Motor erstarb, und der Wagen kam mitten auf dem Weg zum Stehen. Als Nele Karminter das Bewusstsein verloren hatte, hatte Alexander ins Lenkrad gegriffen, es herumgerissen und damit verhindert, dass auch sie in den Graben rutschten.
    Für einen kurzen Moment herrschte absolute Stille im Wageninneren. Dann näherte sich Dag Hendrik mit seinem Wagen, die Scheinwerfer leuchteten ihnen ins Gesicht und rissen sie aus dem Schockmoment.
    »Frau Karminter?«, sagte Dr. Sternberg und kam zwischen den Sitzen hervor.
    Alex benötigte nur eine Sekunde, um zu begreifen, welche Chance sich ihm bot.
    Er löste seinen Gurt, beugte sich hinüber und griff Nele unter die Jacke.
    »Kümmern Sie sich um sie«, sagte er zu der Psychologin und zog die Dienstwaffe der Kommissarin aus dem Halfter. Im immer größer werdenden Lichtkegel der Scheinwerfer überprüfte er das Magazin. Er hatte Bullen gekannt, die nur ungeladene Waffen mit sich herumgetragen hatten, aber das war hier nicht der Fall.
    Eine zarte Hand legte sich auf seinen Unterarm. »Herr Seitz … Tun Sie es nicht. Sie werden es bereuen.«
    Dr. Sternberg sah ihn aus großen Augen an.
    »Nein, falsch. Wenn ich es nicht tue, dann werde ich es bereuen.«
    Damit stieß er die Tür auf und sprang aus dem Wagen.
    Der Polizeichef näherte sich von der anderen Seite, und da der Weg abschüssig verlief, würde Alex nicht sofort entdeckt werden. Außerdem mussten sich die Kollegen erst um die Karminter kümmern. Ein Vorsprung von zwei oder drei Minuten würde ihm reichen.
    Alex rannte über den Schnee. Die Profilsohlen seiner Stiefel bewahrten ihn davor auszurutschen.
    Es kam ihm vor, als wäre sein gesamtes bisheriges Leben zu nichts anderem da gewesen, als ihn am heutigen Tag an diesen unwirklichen Ort zu führen. Alex hatte keine Ahnung, was mit Nele Karminter los war, warum sie plötzlich das Bewusstsein verloren hatte, aber für ihn war das nur der letzte Teil eines vom Schicksal gelegten Puzzles. Jetzt war alles am Platz, und er konnte handeln.
    Lange Zeit hatte er nicht begriffen, warum er kein Polizist mehr sein durfte, warum er nicht mehr dabei sein durfte. Sein Zynismus, den Jördis ihm oft vorgeworfen hatte, war nichts weiter als ein Schutzschild, an dem all die Fragen abgeprallt waren, die er sich längst hätte stellen müssen. Jördis’ Tod hatte diesen Schutzschild hinweggefegt, er stand jetzt nackt in der Welt, war genauso verletzlich wie alle anderen auch – und musste erkennen, dass er Fehler gemacht hatte. Fehler, die Jördis das Leben gekostet hatten.
    Zumindest das würde er wiedergutmachen.
    Und wenn es das Letzte war, was er in seinem Leben tat.
    Nicola betrat einen Vorraum, in dem sich nichts weiter befand als altes, trockenes Laub, das im Wind raschelte. In der gegenüberliegenden Wand gab es zwei Türen. Eine war geschlossen, die andere einen Spaltbreit geöffnet. Licht quoll daraus hervor.
    Sie zog die Tür auf. Dahinter lag ein braun gekachelter Umkleideraum mit Metallspinden und Holzbänken.
    Nicola durchquerte den Umkleideraum
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