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Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch

Titel: Bleeding Violet - Niemals war Wahnsinn so verfuehrerisch
Autoren: Dia Reeves
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allem, was du ihr angetan hast.«
    »Du hast gesagt, dass sie lebt.« Ich prüfte, ob der Deckenstapel weich genug war. Er war es nicht, also legte ich mehr Decken darauf. »Muss ich denn mehr wissen?«
    »Sie ist mit elf Stichen am Kopf genäht worden. Sie ist eben erst aus dem Krankenhaus zurückgekommen. Du hast wirklich Glück, dass sie nicht die Polizei gerufen hat. Und du hast Glück, dass sie nicht gestorben ist.«
    Als ich nichts erwiderte, kniete sich Rosalee mir gegenüber hin. Das Deckenlager war zwischen uns. Ein glänzendes rotes Armband fiel um ihr linkes Handgelenk, an dem ein altmodischer Silberschlüssel, so lang wie mein kleiner Finger, baumelte. Ich fragte mich, was sie wohl tun würde, wenn ich ihre Hand berührte. Oder wenn ich sie überhaupt berührte, um herauszufinden, wie es sich anfühlte.
    »Warum hast du sie geschlagen?«, fragte Rosalee.
    »Hat sie dir das nicht gesagt?«
    »Sag du’s mir.«
    Ich hörte auf, mit den Decken herumzuhantieren. »Sie wollte mich wieder in die Psychiatrie schicken, damit man mich für immer wegschließt. Ich hab ihr gesagt, dass ich nicht für immer weggeschlossen werden will , aber das war ihr egal. Also musste ich’s ihr zeigen.«
    Ich führte vor, wie ich es Tante Ulla gezeigt hatte, indem ich einen heftigen Schlag auf Rosalees Kopf mimte. Dann konnte ich nicht widerstehen und berührte mit meinen Fingerspitzen die weiche, seidige Haut von Rosalees Wange. Sie fühlte sich fiebrig an. Vertraut. Meine Finger kannten sie. »Aber ich würde dir niemals antun, was ich ihr angetan habe. Vergiss alles, was sie dir erzählt hat. Du musst vor mir keine Angst haben.«
    Rosalee schlug meine Hand weg, als wäre sie eine Fliege. Der Schlüssel an ihrem Armband gab ein verärgertes Klirren von sich. »Selbst wenn du Hannibal Lecter höchstpersönlich wärst«, sagte sie und stand mit einer anmutigen Bewegung auf, »wärst du hier nichts Besonderes. Du bist diejenige, die Angst haben sollte.« Sie fing an, auf und ab zu gehen. »Dir ist klar, dass deine Tante deine Sachen packt, während wir uns hier unterhalten? Sie sagt, entweder schickt sie die Sachen hierher oder in die Klinik.«
    »Sag ihr, sie soll sie hierher schicken.«
    »Das Einzige, was hier verschickt wird, bist du.« Ihre Schritte hallten in dem leeren Raum, was den Abstand, der zwischen uns lag, zu vergrößern schien. »Glaubst du, ich warte nur darauf, für das verantwortlich zu sein, was mit dir passiert, wenn du in dieser Stadt bleibst?«
    »Du warst sechzehn Jahre lang nicht für mich verantwortlich«, sagte ich. »Warum sollte dich das jetzt kümmern? Mich kümmert es nicht.«
    »Ich fahre dich höchstpersönlich nach Dallas, wenn es sein muss«, murmelte sie, ohne auf mich einzugehen.
    »Und was dann? Du kehrst hierher zurück und lebst dein Leben in einsamem Glanz? Scheiß drauf. Mir ist egal, dass du mich nicht willst. Ich brauche meine Mutter dringender als du deine Einöde.«
    Rosalee blieb stehen und sah mich mit zusammengepressten Lippen an. »Was ich brauche, ist, nicht hinter einem bipolar gestörten Kind herlaufen zu müssen.«
    Wenn sie glaubte, dass ich einknickte, nur weil sie die Sache beim Namen nannte, dann hatte sie sich leider getäuscht. »Ich bevorzuge manisch-depressiv«, sagte ich ihr, »wenn es dir sowieso schon egal ist. Das trifft es genauer, findest du nicht? Das ist ehrlicher. Aber nenn es ruhig, wie du willst, solange ich hierbleiben kann.«
    »Ich weiß noch nicht mal etwas über normale Kinder, wie soll ich denn dann …« Rosalee machte mit der Hand eine wegwerfende Bewegung. Sie galt mir und meiner ganzen gestörten Pracht.
    »Da gibt es nichts zu wissen«, sagte ich. »Ich muss nur ein paar Pillen nehmen, und schon ist alles prima.«
    »Deine Definition von ›prima‹ beinhaltet tätlichen Angriff und Körperverletzung? Du hast deine Tante krankenhausreif geschlagen! «
    »Ich hab meine Pillen schon eine ganze Weile nicht mehr genommen«, gab ich zu.
    Rosalee stürmte zum Regal und griff sich wahllos ein paar Pillenfläschchen. »Dann nimm sie jetzt.«
    Sie nahm wieder ihre Osterinsel-Haltung an. Also stand ich auf und holte mir die richtigen Fläschchen: Lithium und Seroquel.
    »Wozu sind die ganzen anderen gut?«, fragte Rosalee und sah sich die Fläschchen an, die sie vom Regal genommen hatte.
    »Die sind für andere Sachen: Depressionen, Schlaflosigkeit, Panikattacken, Hyperaktivität und und und.« Ich hielt das Lithium hoch: »Das hier gleicht mich aus. Und das
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