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Blausäure

Blausäure

Titel: Blausäure
Autoren: Agatha Christie
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das wir immer noch nicht wissen: Wer schrieb die Briefe an George Barton und teilte ihm mit, dass seine Frau ermordet wurde? Wir haben nicht die geringste Ahnung, wer das war.»
    «Immer noch derselbe Verdacht, Browne?», fragte Race.
    «Ruth Lessing? Ja, sie ist und bleibt meine Kandidatin. Wie Sie erzählten, hat sie sogar zugegeben, dass sie George geliebt hat! Und Rosemary, das sagen alle, war ihrerseits ziemlich giftig zu ihr. Plötzlich witterte sie eine Gelegenheit, Rosemary aus dem Weg zu räumen, und war fest davon überzeugt, dass sie dann George Barton vom Fleck weg heiraten könnte.»
    «Angenommen, dass es so war», sagte Race. «Ich gebe zu, dass Ruth Lessing die ruhige, praktische Umsicht besitzt, um Mord in Erwägung zu ziehen und auch durchzuführen, und dass es ihr vielleicht an Mitleid mangelt, das ja im Wesentlichen ein Produkt des Vorstellungsvermögens ist. Ja, ich gebe Ihnen Recht, was den ersten Mord angeht. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie auch den zweiten beging. Weder sehe ich, dass sie in Panik geraten, noch, dass sie den Mann, den sie liebte und heiraten wollte, vergiften würde! Und noch etwas spricht gegen die Annahme, dass sie es war: Warum sagte sie nichts, als sie sah, wie Iris das Zyankalitütchen unter den Tisch warf?»
    «Vielleicht hat sie es nicht wirklich gesehen», schlug Anthony zweifelnd vor.
    «Ich glaube schon, dass sie es sah», sagte Race. «Als ich sie ausfragte, hatte ich den Eindruck, dass sie mit etwas hinter dem Berg hielt. Und Iris Marie glaubt selbst, dass Ruth Lessing sie sah.»
    «Also, Colonel», sagte Kemp, «jetzt schießen Sie mal los! Sie haben doch auch einen Verdacht, oder?»
    Race nickte.
    «Raus mit der Sprache! Gleiches Recht für alle! Sie hatten auch Gelegenheit, uns anzuhören – und zu kritisieren!»
    Race ließ seinen Blick nachdenklich von Kemp zu Anthony schweifen und auf ihm ruhen.
    Anthonys Augenbrauen gingen in die Höhe.
    «Sagen Sie jetzt bloß nicht, dass Sie mich nach wie vor für den Bösewicht halten!»
    Race schüttelte den Kopf.
    «Ich wüsste nicht, warum Sie George Barton hätten umbringen sollen. Aber ich denke, ich weiß, wer ihn tötete – ihn und Rosemary Barton.»
    «Wer ist es?»
    «Merkwürdig, wie wir alle Frauen im Verdacht haben. Ich verdächtige ebenfalls eine Frau.»
    Er machte eine kurze Pause und sagte dann ruhig:
    «Ich halte Iris Marie für die Schuldige.»
    Anthony stieß krachend seinen Stuhl zurück. Für einen Moment lief sein Gesicht dunkelrot an – dann gewann er mit Mühe seine Selbstkontrolle zurück. Als er sprach, zitterte seine Stimme zwar ein wenig, aber sie klang absichtlich so leicht und mokant wie immer.
    «Lassen Sie uns diese Möglichkeit unbedingt diskutieren», sagte er. «Warum Iris Marie? Und wenn, warum hätte sie mir freiwillig erzählen sollen, dass sie das Zyankalipapierchen unter den Tisch fallen ließ?»
    «Nun», sagte Race, «weil sie wusste, dass Ruth Lessing sie dabei beobachtet hatte.»
    Anthony legte den Kopf schief und dachte über diese Antwort nach. Schließlich nickte er.
    «Akzeptiert», sagte er. «Machen Sie weiter. Wie kamen Sie überhaupt auf den Verdacht?»
    «Das Motiv!», sagte Race. «Rosemary hatte ein immenses Vermögen geerbt, an dem Iris keinen Anteil haben sollte. Sie mag seit Jahren unter dem Gefühl gelitten haben, ungerecht behandelt worden zu sein. Sie wusste, dass sie alles erben würde, falls Rosemary kinderlos starb. Und Rosemary war depressiv, unglücklich und ausgezehrt nach dieser Grippe, also genau in der Verfassung, wo ein Selbstmord fraglos akzeptiert werden würde.»
    «Nur zu, machen Sie aus dem Mädchen ein Monster!», sagte Anthony.
    «Kein Monster», sagte Race. «Es gibt noch einen Grund, warum ich sie in Verdacht habe – er mag Ihnen vielleicht weit hergeholt erscheinen – Victor Drake.»
    «Victor Drake?»
    Anthony starrte ihn verblüfft an.
    «Schlechtes Blut. Wissen Sie, ich habe Lucilla Drake nicht umsonst zugehört. Ich weiß alles über die Familie Marie. Victor Drake – kein Schwächling, sondern ein ausgemachter Teufel. Seine Mutter – von bescheidenen Geistesgaben und unfähig zu jeder Konzentration. Hector Marie – schwach und lasterhaft, ein Säufer. Rosemary – gefühlsmäßig labil. Eine Familiengeschichte voller Schwäche, Unmoral und Unbeständigkeit. So etwas vererbt sich.»
    Anthony zündete sich eine Zigarette an. Seine Hände zitterten.
    «Glauben Sie nicht, dass auch ein schwacher oder sogar
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