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Blaufeuer

Titel: Blaufeuer
Autoren: Alexandra Kui
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bist. Nichts zu machen, sie kommt nicht zurück.«
    Das wird sich noch zeigen. Jedenfalls soll es nicht Jannes Sorge sein.
    »Aber ich habe auch eine Nachricht, die dich wahrscheinlich freut: Friederike Reemts steht schon in den Startlöchern.«
    Die Nachricht freut Paul Flecker nicht. Im Gegenteil, sie versetzt ihn in Rage, und zwar so gründlich, dass sämtliche Geräte zugleich Alarm schlagen. Warum können die den ganzen Mist nicht abklemmen? Sein Blut gerät nun mal schnell in Wallung, das ist keine Krankheit, sondern sein Charakter.
    Friederike kann es nicht lassen. Was denkt die sich eigentlich? Er hat Schluss gemacht. Endgültig. Bei ihren Besuchen in der Klinik dachte er, sie hätte das akzeptiert. Aber nein, sie wollte ihn vermutlich nur schonen. Vor ihrer Sturheit. Die er ebenso liebt wie alles andere an ihr. So ist es ihm seit Henrika nicht mehr ergangen. Deswegen ja die Trennung. Gegen eine Affäre mit einer dreißig Jahre jüngeren Frau spricht nichts. Aber sobald Liebe ins Spiel kommt, wird es kriminell. Schließlich hat er eine Verantwortung für dieses junge Leben. Rieke soll sich gefälligst einen anständigen Mann in ihrem Alter suchen, mit dem sie eine Familie gründen kann, anstatt ihre besten Jahren an ihn zu verschwenden.
    Das Piepen der Apparate hat zwei Ärzte auf den Plan gerufen. Sie geben ihm eine Spritze. Janne ist drauf und dran, sich vor Schreck die Seele aus dem Leib zu husten, und wird von Marit hinausgeschoben.
    Die Spritze macht ihn müde. Rieke, Rieke, Rieke. Hat sie sich also Janne anvertraut. Lieber Himmel, was mag sie seiner Tochter noch alles erzählt haben? Mit einem Gefühl von Panik schläft er ein.
    Zunächst kommt der Schlaf als Freund. Er kann fliegen. In großer Höhe gleitet er über die Landschaften des Hindukusch hinweg: Berge, Schluchten, roter Mohn. Bis die Erinnerung an die gemeinste seiner Taten ihn ins Bodenlose fallen lässt, seinen Traum in einen Albtraum verwandelt und ihn schließlich weckt. Der Gestank von Dollarscheinen haftet an seinem Leib wie das Salz der Nordsee auf seinen Lippen.
    Er hat seinem Vater Schande bereitet.
    Paul Flecker starrt an die Decke. Stunden verstreichen, in denen sich dieser Satz wie ein Dämon seiner bemächtigt. Von dem Spuk zermürbt, versucht er, den Kopf zu wenden, aus dem Fenster in den Nachthimmel zu blicken. Es gelingt. Auf der Fensterbank liegt Schuld und Sühne im Mondlicht. Meinhard hat es liegen lassen. Die Geschichte eines Mörders, der an seiner Tat verzweifelt. Wieso hat er sich für dieses Buch entschieden?
    Er ruft sich die letzten Begegnungen mit seinem Sohn ins Gedächtnis. Meinhard, der plötzlich Zeit im Überfluss zu haben schien. Anzeichen von Verwahrlosung. Der Neid in seiner Stimme, als er Erik erwähnte.
    »Es hätte nie so weit kommen dürfen«, hat Meinhard gesagt. Ein Sohn, der seinem Vater Schande bereitet hat.
    In diesem Augenblick begreift Paul Flecker alles.

Deutscher Olymp
    JANNE
    Der Champagner schäumt in der Spüle. Janne lässt kaltes Wasser laufen. Nachdem sie die Flasche vom Vorabend ausgegossen hat, räumt sie die unbenutzten Gläser zurück in die Vitrine. Sie löscht das Licht und schaut aus dem Fenster, das zur Straße hinausgeht. Nieselregen. Parkende Autos. Keine Menschenseele ist unterwegs. Wo bleibt der Streifenwagen? Sie ruft Hagedorn an, um ihm mitzuteilen, dass sie allein im Haus ist. Es scheint ihn nur mäßig zu interessieren.
    Sie hat Angst. Sie dachte eigentlich, dieses Stadium hätte sie hinter sich. Aber seit sie vor Stunden die Frau mit dem Hund getroffen hat, eine Unbeteiligte, ist dieses besiegt geglaubte Gefühl über sie hereingebrochen wie eine Naturgewalt. Sie scheint aus nichts anderem mehr zu bestehen. Und was am schlimmsten ist: Sie weiß, dass ihre Angst berechtigt ist. Sie spürt es einfach.
    Irrt sich Johnny? Ist Birger der Kapuzenmann? Vieles spricht dafür: Er ist seit ihrem Helgolandaufenthalt verschwunden, hat sozusagen kein Alibi für die Attacke an den Klippen. Auch die schlaksige Statur kommt hin - und die sonderbare Vertrautheit, die sie zuletzt bei seinem Anblick empfunden hat.
    Die Polizei fährt vor. Der Wagen hält auf der gegenüberliegendenStraßenseite und blendet ab. Janne betrachtet die Silhouetten der Beamten. Einer gähnt. Sie zieht die Gardine vor.
    Oder der Zwischenfall mit dem Ave-Maria: geschehen vor Birgers Haustür, direkt nach einem gemeinsamen Abend. Theoretisch könnte er sogar der Jogger gewesen sein. Er wollte ihr einreden, sie sehe
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