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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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Pia wurmte es, dass sie die Regeln nicht verstand. Sie biss sich ärgerlich auf die Unterlippe. Sie musste aufhören damit. Was wollte sie eigentlich mit dem Namen eines Vaters, der sich 31 Jahre lang nicht für sie interessiert hatte. Sie musste an die Männer denken, mit denen sie geschlafen hatte. Wenn nun einer davon sie aus Versehen geschwängert hätte, hätte ihn das automatisch zu einem Bestandteil ihres neuen Lebens machen müssen?
    Manche Menschen waren nun einmal nicht greifbar, verschwanden, zogen sich absichtlich oder unabsichtlich zurück ... Wie jetzt Marlene?
    Es gab nichts weiter dazu zu sagen. Pia verabschiedete sich von ihrer Mutter und wünschte ihr alles Gute für den bevorstehenden Tag. Das ganze Gerede über Familienbande bringt mich immer wieder aus der Fassung, dachte sie, als sie sich dem Bannkreis ihrer Mutter entzog und aus dem Krankenzimmer trat.
    Sie war lange vor der Ehe ihrer Mutter mit Günther Liebig geboren. Er war der Vater der Zwillinge Nele und Tom Liebig. Korittki war der Mädchenname ihrer Mutter. Irgendwie hatte Pia es schon als Kind zu verhindern gewusst, dass sie in Liebig umbenannt wurde. Sie war stolz auf ihren Namen und fand eine merkwürdige Befriedigung in der Tatsache, anders zu sein als die anderen.
    Als sie hinaus auf den Parkplatz trat, hatte sich der sporadische Nieselregen vom Nachmittag in einen Platzregen ausgeweitet. Pia spurtete zu ihrem Auto und ließ sich auf den Fahrersitz fallen. Im Rückspiegel sah sie, dass ihr sonst blondes Haar dunkel und nass an ihrem Kopf klebte.
    Also auf zu Tom. Jeder Aufschub würde das ungute Gefühl, das sie bei den Gedanken an die bevorstehende Begegnung hatte, nur verstärken. Pia startete den Wagen und rollte vom Parkplatz. Sie wusste zwar, dass ihr Bruder in der Adlerstaße wohnte, aber sie hatte die Hausnummer vergessen. Der Anblick der Häuserfassaden und Hauseingänge würde ihrem Gedächtnis hoffentlich auf die Sprünge helfen.
 
    »Ich fress dieses Zeug hier nicht. Das ist alles Mist, verdammter Mist. Ich will richtiges Essen haben, verdammt ...«
    Der Rest der Tirade ging in einem Gurgeln und einem unheilvollen Scheppern unter, das noch verhältnismäßig laut durch die geschlossene, gut isolierte Zimmertür drang.
    Kurz darauf blinkte die Leuchte über der Tür. Gesa Widmann hatte den Eindruck, dass das Licht über Alfred Hecks Zimmertür immer besonders hektisch und böse blinkte.
    Er teilte sein Zimmer im Pflegeheim mit Benno Schwarze, der zu dieser Zeit mit seinem Rollstuhl im Speisesaal saß, und Kurt Hentschel, der sich aber weder bewegen noch richtig artikulieren konnte. Er musste von den Pflegerinnen und Pflegern gefüttert werden, weil er keine Kontrolle mehr über die Bewegung seiner Arme und Hände hatte. Es tat Gesa immer von Herzen leid, wenn sie es nicht rechtzeitig schaffte und den alten Mann antraf, wie er vor seinem beladenen Essenstablett saß und hungrig seinen Mund auf- und zumachte.
    »Seit die hier auf dieses Industrieessen umgestellt haben, ist die Mittagszeit eine einzige Plackerei«, bemerkte Tia Maria Koeppen, die ebenfalls als Altenpflegerin in der Schlaganfall- und Alzheimerstation des Pflegeheims Waldesruh arbeitete. Sie nahm drei der Aluminiumpackungen vom Wagen und trug sie zur Tür des gegenüberliegenden Zimmers.
    »Das Zeug schmeckt wirklich nach nichts, und die meisten Alten hier können nicht einmal selber die Verpackung aufmachen. Aber die Leitung hat pro Pflegefall vier Euro gespart, wohlgemerkt bei über 4 000 Euro Kostensatz im Monat!«
    Sie verschwand kurz in dem Zimmer und kam ohne das Essen wieder heraus. Gesa Widmann stand immer noch am Wagen und suchte nach einem Grund, dieses Blinken und Rufen aus Hecks Zimmer zu ignorieren. Tia Maria beachtete sie gar nicht, sondern ereiferte sich weiter: »Industrieessen! Und unsere frühere Köchin sitzt auf dem Arbeitsamt und kostet uns Steuerzahler jetzt auch noch Geld. Was die gekocht hat, war wenigstens essbar. Das Zeug hier ist doch gar nicht mehr richtig warm, wenn unsere Alten es endlich bekommen. Gnade uns Gott, Gesa, wenn wir einmal pflegebedürftig werden. Du wirst noch an meine Worte denken, gnade uns Gott!«
    Es schepperte erneut, und Gesa gab sich einen Ruck, um endlich für Ruhe zu sorgen auf ihrer Seite des Flures. Was nutzte es, wenn sie sich auch noch einen Anranzer ihrer Kollegin einfing, besser die Zähne zusammenbeißen und es durchstehen.
    »He, Mädchen, endlich. Ich klingele mir hier die Seele aus dem Leib, und
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