Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
Vom Netzwerk:
sie hatte ihnen schon manch schlaflose Nacht bereitet mit ihren Eskapaden. War mit 16 allein nach Spanien getrampt, hatte während ihres Studiums oft wochenlang nichts von sich hören lassen und war immer leichtsinnig und unbedacht gewesen. Hatte seine Frau das alles vergessen?
    Ihre Tochter war ein so ganz anderer Typ als seine Frau oder er selbst. Friedhold Brinkmann versuchte, sich auch Marlenes Schwierigkeiten vor Augen zu führen. Traumatische Erlebnisse in der Kindheit konnten einen Menschen verändern. Aber hatten sie sie nicht immer, so gut es ging, vor allem beschützt und bewahrt?
    Er seufzte und stieß die Grabegabel mit einem festen Stoß in das Erdreich, sodass der Stiel noch einen Moment in der Luft vibrierte.
    »Also gut, Inge. Ich mache nur noch dieses kleine Stück Beet hier zu Ende, und dann komme ich rein. Ich muss etwas Ordnung zwischen den Stauden schaffen, bevor wir morgen in den Urlaub fliegen. Du weißt, wie schnell das Unkraut schießt bei dem Wetter. Und die Nachbarn suchen doch immer einen Grund zum Lästern, oder?«, fügte er scherzhaft hinzu.
    »Im Augenblick glaube ich, dass wir gar nicht fliegen sollten. Nicht, bevor wir wissen, was mit Marlene ist, meine ich.«
    »Da reden wir nachher drüber, Inge«, antwortete er bestimmt. Erleichtert sah er, dass sie jetzt endlich von dannen zog. Wie einfach, ja angenehm, könnte das Leben sein, wenn man sich stets nur auf eine Sache konzentrieren dürfte. Graben, graben, graben zu der einen Zeit, nachdenken und reden zu einer anderen.
    Die meisten Menschen machten sich das Leben unnötig schwer, indem sie immer alles gleichzeitig tun wollten. Die Studienfahrt zu verschieben kam jedenfalls gar nicht in Frage. 5 200 Euro in den Wind schießen und sich später Marlenes halb gare Entschuldigungen anhören müssen?
    Um sein Enkelkind, die kleine Clarissa, machte er sich schon eher Sorgen. Ein Kind sollte nicht so unter einer unzuverlässigen Mutter zu leiden haben. Aber er und Inge hatten weiß Gott schon oft genug die Feuerwehr für ihre Enkeltochter gespielt. Nun war mal ihr neuer Ehemann dran, fand er. Tom Liebig würde sich für Clarissa etwas einfallen lassen müssen.
    Friedhold sah auf seine Armbanduhr. Er wollte noch eben eine Staude umsetzen. » Aconitum napellus «, murmelte er vor sich hin, während er die Pflanze aus der Erde hob. Latein war eines seiner Hauptfächer gewesen, und noch heute rühmte er sich, alle Pflanzen in seinem Garten auch mit ihrem lateinischen Namen zu kennen.
    Der Eisenhut würde gerade blühen, wenn sie von ihrer Reise zurückkämen. Das würde hübsch zu dem weißen Balkan Storchenschnabel aussehen, der hier so gut gedieh, Geranium macrorrhizum . Außerdem stand der Blaue Eisenhut dann in einem schönen Kontrast zu dem Geißbart, der Leitstaude hier im Halbschatten. Aruncus dioicus oder vulgaris? , fragte sich Friedhold Brinkmann verwirrt. Jetzt kannte er sich in seinem eigenen Garten schon nicht mehr aus, und das nur, weil seine Tochter mal wieder über die Stränge schlug.
    Im Haus hörte er das Telefon klingeln. Das musste die ersehnte Nachricht über Marlenes Verbleib sein. Sie hatte bestimmt nur den Flieger verpasst, einen willigen Mann getroffen und die Zeit vergessen ... so musste es gewesen sein. Wenigstens wusste in ihrer neuen Nachbarschaft niemand, was ihre einzige Tochter so alles trieb.
    Er stellte sich vor, wie sich die gelangweilten Frührentner und Hausfrauen an den Geschichten über die Eskapaden von Brinkmanns einziger Tochter weiden würden. Das gäbe Unterhaltungsstoff für zehn Bridgeabende! Und die ehrenwerten Herrschaften, mit denen sie seit Jahren auf Studienfahrt gingen, nicht auszudenken!
    Graben, graben, graben, nicht nachdenken ...
 
    »Ach, du bist es, Pia.«
    War je ein Mensch freudiger begrüßt worden? Tom Liebig wich einer brüderlich-schwesterlichen Umarmung aus und starrte Pia aus rot geränderten Augen an.
    »Irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte sie ihren Bruder, während sie in den dunklen Wohnungsflur trat und den muffigen Geruch nach ungelüfteten Zimmern und Angstschweiß wahrnahm.
    »Immer noch nichts.« Er stieß die Tür zum Wohnraum auf, der sich seit Pias letztem Besuch auffallend verändert hatte. Tom war bezüglich seiner Wohnungseinrichtung immer ein Minimalist gewesen. Früher waren hier ein altes schwarzes Le-Corbusier-Sofa und ein Metallhocker die einzigen nennenswerten Möbelstücke im Raum gewesen. Nun luden üppige Rattansofas und locker ineinandergeschobene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher