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Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift

Titel: Blaues Gift - Almstädt, E: Blaues Gift
Autoren: Eva Almstädt , luebbe digital
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Glastische auf weichem Florteppich zum Niederlassen ein.
    Unverkennbar Marlenes Handschrift, konstatierte Pia und trat zur Balkontür, um in die regnerische Frühlingsnacht hinauszusehen.
    »Willst du die Polizei einschalten? Ich könnte dir helfen«, bot sie ihm an, um irgendwie ein Gespräch zu beginnen.
    »Nein, will ich nicht. Marlene kommt bestimmt jeden Moment zurück. Jeder kann sich mal um ein paar Stunden verspäten. Vielleicht musste sie aus irgendwelchen Gründen den Zug nehmen.«
    »Vielleicht«, sagte Pia und verkniff sich die Bemerkung, dass Marlene sich dann doch längst hätte melden können.
    »Mama hat dich hergeschickt, oder? Sie macht sich Sorgen, weil sie selbst nicht ganz auf der Höhe ist. Das wurmt sie bei der ganzen Sache wahrscheinlich am meisten. Ehrlich, ich finde es ganz furchtbar nett von dir, dass du hergekommen bist, aber es war gar nicht nötig.«
    Sätze, die mit dem Wort »ehrlich« begannen, sind fast immer eine Zumutung für den Adressaten, dachte Pia. Sie drehte sich zu ihrem Bruder um und sah ihn an. »Nur mal angenommen, Marlene ist morgen noch nicht wieder da. Hast du jemanden, der sich um Clarissa kümmert? Mama hat mich eigentlich nur gefragt, ob ich dir mit dem Kind helfen kann, weil ich sowieso Urlaub habe. Du kannst über mich verfügen.« Sie hob einladend die Arme und dachte gleichzeitig an den Toten vom Strand, der jetzt bei Dr. Kinneberg im Institut für Rechtsmedizin lag. Heute am späten Abend wurden erste Ergebnisse erwartet, und sie würde nicht dabei sein, wenn sich herausstellte, ob man es mit einem Unfall, Selbstmord oder einem Mord zu tun hatte.
    Bei der Erwähnung der Möglichkeit, dass seine Frau auch am nächsten Tag noch nicht wieder aufgetaucht sein könnte, verschloss sich Toms Miene zu einer starren Grimasse.
    »Ich rufe dich an, wenn ich deine Hilfe brauche, Pia. Ist das okay für dich? Morgens bringe ich Clarissa sowieso immer in den Kindergarten, und im Fall der Fälle könntest du sie ja mittags dort abholen. Ich kann bei mir in der Firma gerade keinen Urlaub nehmen.«
    »Natürlich ist das okay für mich, Tom. Meinst du, Clarissa kommt einfach mit mir mit?«
    »Ja, das wird sie. Wenn Marlene bis morgen früh nicht wieder gekommen ist, werde ich ihr erzählen, dass Tante Pia sie abholen kommt.«
    »Tante Pia.« Wie herzig. Pia schluckte jeden Kommentar dazu herunter und nickte. Sie fragte nicht weiter nach, wie sie den Nachmittag mit einer Fünfjährigen gestalten sollte, denn für Tom schien die Möglichkeit, dass Marlene dann noch nicht wieder da sein könnte, außerhalb des Vorstellbaren zu liegen. Außerhalb des Erträglichen?
    »Hast du schon etwas gegessen, Tom?«, fragte sie ihn, einer Eingebung folgend. Ihr selbst war flau, weil sie seit ihrem Sonntagsfrühstück nichts als einen Apfel gegessen hatte, und Tom sah ebenfalls halb verhungert aus.
    »Ich habe was von Clarissas Cornflakes mitgegessen«, sagte er, und zum ersten Mal während Pias Anwesenheit huschte so etwas wie ein Lächeln über sein Gesicht. »Crunchy-Schoko-irgendwas-Pops.«
    »Ich hab auch ziemlichen Hunger, Tom. Soll ich uns was vom Chinesen holen?«
    »Immer noch die gleichen Vorlieben wie früher, Pia?«
    »Anna sagt, dass meine Geschmacksnerven nach meiner vermurksten Mandeloperation außer Kontrolle geraten sind. Sie behauptet, eine zu hoch dosierte Vollnarkose wäre schuld daran. Ich weiß nicht, ob das medizinisch haltbar ist, aber seitdem musste sie wohl Peperoni und Chilischoten statt Schokolade zum Naschen für mich kaufen.«
    »Weißt du noch, wie Papa mal aus Versehen in eines von deinen Spezialsandwichs gebissen hat?«, erinnerte sich Tom. »Er hat fast Feuer gespuckt!« Er sah Pia zum ersten Mal an diesem Abend richtig an. »Die Idee, etwas Vernünftiges zu essen, ist wahrscheinlich nicht die schlechteste. Außerdem würde ich diesen vier Wänden gern noch für ein paar Minuten den Rücken kehren. Wenn du hier wartest, fahre ich schnell los und hol uns was, einverstanden? Ich glaube nicht, dass Clarissa um diese Uhrzeit aufwacht, und wenn, dann erklärst du ihr,dass ich gleich wieder komme ...«
    »Wird gemacht«, antwortete Pia und registrierte erleichtert, wie sich Toms Haltung straffte, als er nach seiner Jacke griff und die Wohnung verließ.
 
    Sie aßen ihr spätes Abendbrot aus den Aluminiumschachteln. Dazu tranken sie Bier aus der Flasche und hatten den Fernseher angestellt. Tom wirkte etwas entspannter als bei Pias Eintreffen. Doch mit derselben
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