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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen
Autoren: Hilary Norman
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gar nicht schätzte, waren zu viele nächtliche Besuche seiner Eltern, wenn sie nach ihm sehen wollten.
    »Wenn ich ein Problem habe«, erklärte er ihnen, »lasse ich es euch schon wissen.«
    »Vicuna will sicher, dass ich zufrieden bin«, beantwortete Lizzie Christophers Frage. »Aber Fernsehleute haben strenge Zeitpläne und Gewerkschaftsvorschriften und müssen Wetterbedingungen und anderes berücksichtigen. Ich bin sicher, dass sie von mir erwarten, mich in alles einzufinden.«
    »Was du mit Sicherheit schaffen wirst, wie du immer alles schaffst – mit Bravour.«
    Christopher war sehr charmant. Das war er schon immer gewesen, und er hatte Lizzie und ihre Talente stets unterstützt, wofür sie ihm fast immer dankbar gewesen war.
    Dankbarkeit hatte sogar eine entscheidende Rolle gespielt, als sie ihm zum ersten Mal begegnete und sich in ihn verliebte. Nach einem Autounfall mit Anfang dreißig waren Angela Pipers linke Brust und ihr Bauch von einer hässlichen Narbe verunstaltet gewesen. Nach dem Unfall war es erst einmal darauf angekommen, Angela das Leben zu retten; später hatte offenbar niemand richtig begriffen, wie verzweifelt die hübsche Brünette über ihre Entstellung war – nicht einmal Maurice Piper, ihr Mann, dem es viel wichtiger gewesen war, dass seine Frau ihm und der neunjährigen Lizzie erhalten geblieben war. Angela jedoch hatte mit ihrer – wie sie es empfand – abgrundtiefen Hässlichkeit nicht umgehen können; gleichzeitig hatte sie sich für ihre Undankbarkeit und Oberflächlichkeit zutiefst geschämt, und so war sie in eine schwere klinische Depression gestolpert, aus der sie lange nicht herauskommen sollte. Lizzie entwickelte sich in dieser Zeit zu einem in sich gekehrten Teenager, der es kaum erwarten konnte, zur Universität zu entfliehen.
    Zehn Jahre später erlitt Maurice einen tödlichen Herzinfarkt. Angela stürzte im freien Fall in den Abgrund, und Lizzie, die in Sussex Englisch studierte und ihre Freiheit genoss, sah sich gezwungen, nach Hause zurückzukehren. Wie ein dichter Nebel lag die Trostlosigkeit ihres Zuhauses vor ihr – das Ende, so empfand sie es, des Lernens und ihrer Freundschaften. Doch Stuart Bride, Angelas Psychologe, war der Ansicht, dass menschliche Nähe die Wunden, unter denen seine Patientin offenbar immer noch litt, vermutlich besser heilen würde als eine jahrelange Therapie.
    Und dann fegte Christopher Wade – eine große, eindrucksvolle Erscheinung mit struppigem blondem Haar und stechenden grauen Augen hinter einer runden Metallbrille – wie ein freundlicher Windstoß in das Leben der Pipers und sorgte im Laufe der Zeit zumindest für ein gewisses Maß an Heilung. Lizzie, die dreizehn Jahre jünger war als er, erlebte das alles aus nächster Nähe mit: seine Sanftheit, seinen gesunden Menschenverstand, sein Können und seinen Charme. Als der Chirurg sie kurz nach der zweiten erfolgreichen Operation ihrer Mutter zum ersten Mal zum Mittagessen einlud, nahm sie erfreut an.
    »Sei vorsichtig«, sagte Angela, als Lizzie es ihr erzählte.
    »Es ist doch bloß ein Mittagessen«, sagte Lizzie.
    »So etwas gibt es nicht zwischen einem attraktiven älteren Mann und einem schönen, unschuldigen Mädchen.«
    »Nicht ganz so unschuldig, Mom, und schön wohl kaum.« Lizzie war zwar einigermaßen zufrieden mit ihren blauen Augen und ihrem blonden Haar, doch sie fand ihre Nase zu spitz und ihre Beine zu kurz. »Und erst recht nicht, wenn man bedenkt, an was er gewöhnt sein muss.«
    »Beschädigte Ware«, sagte Angela mit freundlicher Selbstironie. »Daran ist er gewöhnt.«
    Lizzie und Christopher heirateten im darauf folgenden Jahr, die Braut nahm ihr Studium wieder auf – jetzt an der London University –, und der stolze, glückliche Bräutigam führte seine junge Frau aus der St. Paul’s Church in Knightsbridge in ihr neues Leben in seiner großen Wohnung in Holland Park. Es folgte beinahe ungetrübtes Eheglück, das andauerte, bis ihr erster Sohn Edward drei und das Baby Jack ein Jahr alt waren und sie sich gerade ein Haus gekauft hatte. Edwards Hunde- und Katzenallergie war das Einzige in Lizzies Welt, das einem Makel nahe kam.
    Die andere, viel weniger attraktive Seite ihres Mannes, die Lizzie im Laufe der Zeit nur allzu gut kennen lernen sollte, zeigte sich zum ersten Mal in Gestalt einer schattenhaften Vorahnung, wie ein kleiner, beunruhigender Tropfen Bremsflüssigkeit unter einem Auto, ein Alarmsignal, das auf künftigen Ärger hindeutet.
    Es geschah
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