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Blackout

Blackout

Titel: Blackout
Autoren: Gregg Hurwitz
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dass man mir Nachrichten hinterlassen hatte.
    Ich wählte meine Voicemail. Die Automatenstimme sagte:
»Sie haben neunundvierzig gespeicherte Nachrichten.«
    Meine Anwälte und ich hatten uns digitale Kopien von allen Nachrichten angehört, als wir uns auf die Gerichtsverhandlung vorbereiteten. Meine Nachrichten waren aber trotzdem noch gespeichert, obwohl das LAPD mir den Zugriff auf meine Voicemail verweigert hatte, bis mir die Telefongesellschaft den Anschluss sperrte. Ich klickte die Nachrichten der Reihe nach durch, übersprang die ersten paar vom zweiundzwanzigsten September, bis ich beim Dreiundzwanzigsten war. Preston, der mir mit meinen Abgabeterminen in den Ohren lag, einer Jacke, die er nicht mehr finden konnte, und einer Anthologie, für die er einen Beitrag von mir wollte. April, die mich fragte, wann sie am Abend zum Essen kommen sollte.
    Die Automatenstimme sprach die entsetzlich vertraute Zeitansage. »
Nachricht fünf. Hinterlassen am 23 . September, 1 Uhr 08 .
«
    Genevièves verdammte Nachricht. Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück.
    Die Stimme mit dem leichten Akzent flüsterte mir ins Ohr: »Ich bin’s.«
    Eine Hitzewelle brandete mir übers Gesicht und setzte meine Narbe in Flammen. Seit meiner Inhaftierung und dem Prozess hatte ich die Nachricht unzählige Male gehört. So hatte sie aber nicht angefangen.
    Der Computer hatte seine Suche jetzt beendet, und iTunes bestätigte mir, was ich sowieso schon wusste.
    Madame Butterfly – CD
3 .
    Das erste Stück begann, tönte aus meinen blechernen Computerlautsprechern und untermalte Genevièves Nachricht.
    »Ich wollte dir nur sagen, dass ich ganz friedlicher Stimmung bin. Es geht mir gut, es geht mir jetzt wirklich gut. Ich habe gehört, dass du mit jemand anderem zusammen bist, und ich … ich freue mich für dich.« Ein feuchter Atemzug. »Es tut mir leid. Dass ich dir so weh getan habe, dass ich allen so weh getan habe.« Wie zerbrechlich ihre Stimme war, wie zart der französische Tonfall. »Vielleicht kann das hier ja eines Tages mal eine deiner Geschichten werden. Vielleicht wirst du es verstehen.«
    Aus meinem Computer die jammernde Madame Butterfly:
Verrà, verrà, vedrai.
    »Vielleicht verzeihst du mir. Dafür und auch hierfür. Ich bitte dich nur um eines. Meine letzte Bitte. Verurteile mich nicht. Ich hoffe, du kannst dich in mich hineinversetzen. Tust du das nicht sowieso bei deinem Job? Fühl diesen Schmerz nach. Schreib darüber, dann müssen andere sich vielleicht nicht so einsam fühlen.«
    Salite a riposare, affranta siete … al suo venire vi chiamerò.
    »Mach’s gut, mein Liebling.«
    Das klickende Geräusch, als sie auflegte.
    Tu sei con Dio ed io col mio dolor …
    Behutsam legte ich den Hörer wieder auf. Ihre wahre Nachricht war so anders als die veränderte Version, die vor Gericht ad nauseam abgespielt worden war. Wie Preston mir bei jeder Gelegenheit in Erinnerung ruft, ist eine gute Redaktion alles.
    Langsam streckte ich meine Hand nach dem zerfledderten Manuskript aus. Neben den beiden Detectives kannte Lloyd Wagner den Fall Geneviève besser als jeder andere. Alles war durch seine Hände gegangen – von den Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter bis hin zum Abgleich von Messerklinge und Einstichwunde. Die ursprüngliche Nachricht hätte mich entlastet, und die Staatsanwaltschaft hätte die Anklage gegen mich fallen lassen müssen. Wenn aber niemand glaubte, dass ich Geneviève umgebracht hatte, dann hätte Lloyd seinen idealen Sündenbock verloren. Den Sündenbock, den jeder – die Polizei, die Medien, die zukünftige Jury – des Mordes für schuldig hielt. Ein Sündenbock, über den die Detectives nur zu gern ein schnelles Urteil fällen würden. Ein Sündenbock, der selbst schon halb glaubte, dass er seiner geistigen Gesundheit verlustig ging. Lloyd wusste, dass er die gespeicherten Daten nicht löschen konnte, aus denen hervorging, dass Geneviève mich angerufen hatte, aber er konnte die Nachricht digital nachbearbeiten, bis sie so zweideutig war wie der Rest. Erst dann hatte er sie an die Polizei weitergegeben. Er hatte mir selbst gesagt, dass er sich aufgrund meines Gehirntumors nicht vorstellen konnte, dass man mich verurteilen würde. Ich würde also freigesprochen werden, aber mit Dreck am Stecken, so dass ich für seine Inszenierung zur Verfügung stand. Eine perfekte Ermittlung, in der niemand unter der Haut der Opfer suchen und die versteckten Einstichlöcher finden würde. Es war zwar ein
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