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Blackout

Blackout

Titel: Blackout
Autoren: Gregg Hurwitz
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Bertrands gehört und bezweifle auch, dass sie sich noch bei mir melden werden. Durch meine Verbindung zu der ganzen Hässlichkeit des Todes ihrer Tochter bin ich als schuldig gebrandmarkt, auch wenn ich gar nicht schuldig bin, und ich kann ihnen ihre Sicht der Dinge schlecht verübeln.
    Sissy Ballantine hat sich rasch wieder erholt und ihrem Bruder schließlich auch Knochenmark gespendet. Ich habe ihn zu einem Brunch getroffen, was in der Theorie eine bessere Idee zu sein schien, als es in der verlegenen Praxis war. Seine Schulterknochen stachen durch sein Secondhand-Bowling-Shirt, auf den Wangen sprossen ihm die ersten Barthaare, und er wirkte völlig überrannt und kleinlaut von der ganzen Aufregung, die es um ihn gegeben hatte. Als ich ihm die Hand schüttelte, spürte ich deutlich seine Knochen unter der Haut. Sissy begleitete mich hinaus und umarmte mich kurz. »Danke«, sagte sie und lächelte das Lächeln der Gesunden. Und ich will verflucht sein, wenn ich mich nicht für einen ganz kurzen Moment ein bisschen so fühlte wie Derek Chainer.
    Die Broachs hatten zwei Kinder verloren, Kasey und ein paar Jahre davor ihren Bruder. An so was könnte man vielleicht denken, wenn man sich in der großen göttlichen Ordnung mal wieder allzu sicher fühlt.
    Die Heim-Chemo hatte Janice Wagners eigenes Knochenmark zerstört, um sie auf eine Transplantation vorzubereiten, die sie dann nie bekam. Ungefähr eine Woche nach Lloyds Tod starb sie. Das kann man wohl kaum Gerechtigkeit nennen, aber Karma auch wieder nicht.
    Schätzungsweise ist das einfach … das Leben.
    Die Broachs stimmten einer Exhumierung zu, und als der Gerichtsmediziner das aufgeschürfte Fleisch auf Kaseys Hüfte entfernt hatte, fand er den darunterliegenden Knochen übersät mit Nadeleinstichen, die ihr erst kurz vor ihrem Tod beigebracht worden waren. Die Fotos gelangten dann auch in die Boulevardblätter.
    Wie man wahrscheinlich schon richtig erraten hat, hatte Kaseys Knochenmark sich nicht in Janice’ Knochen festgesetzt. Eine Knochenmarktransplantation ist zwar nicht sehr kompliziert, wie man mir erklärt hat, aber doch so kompliziert, dass man sie nicht einfach so in Heimarbeit durchführen kann. Lloyd hatte nicht genug Knochenmark aus der rechten Seite von Kasey Broachs Beckenknochen gewonnen, daher hätte er auch noch welches aus der linken entnehmen müssen. Er hatte jedoch befürchtet, dass man ihm Abschürfungen auf beiden Seiten nicht so einfach abgekauft hätte.
    Von Anfang an war Lloyd unter verzweifeltem Zeitdruck gestanden. Als Janice’ Knochen erst einmal leer waren, musste er bei Kasey Broach schnell zuschlagen – daher die Waffe und die in Kauf genommene Nachbarschaft –, und bei Sissy Ballantine war er noch hastiger vorgegangen. Einer von Janice’ behandelnden Ärzten meinte später, Lloyd hätte das Ganze schon recht gut geplant, seine Chemo hatte Janice eine kurzfristige Remission verschafft, so dass die zweite Transplantation durchaus erfolgreich hätte sein können. Aber der Rest von Sissy Ballantines Knochenmark – das er klugerweise auf beiden Seiten ihres Beckenknochens entnommen hatte – hatte es nicht mehr in ihre Venen geschafft. Stattdessen war es aus der Maschine genommen und für Sissys Bruder tiefgekühlt worden, für den es ja ursprünglich gedacht gewesen war.
    Janice war so schwer mitgenommen, dass sie um eine intensivere Befragung herumkam, und sie verließ diese Welt, ohne dass man sicher sein konnte, wie viel sie vom Treiben ihres Ehemanns in der Gästesuite am Ende des Korridors gewusst hatte. Soweit ich gehört habe, soll sie nie erfahren haben, dass ihr Mann im Zimmer nebenan gestorben war.
    Einen Tag nach ihrem Tod zeigte mir Cal einen Eintrag aus Lloyds Tagebuch, in dem er von Reue gepeinigt wurde und um Vergebung flehte, und das mit einer Klarheit über seine Trauer und seinen Verlust, die mich schmerzlich mit ihm fühlen ließ.
    Schmerzlich.
    Ich schätze, es wird Lloyd bei seiner langen Fahrt über den Styx ein Trost sein, dass seine Frau nie die ganze Wahrheit herausgefunden hat.
    Was war denn die ganze Wahrheit? Kein zu flach geschlagener Ball, wie Chic sagen würde. Lloyd war ein Mann wie jeder andere, denke ich, und Druck und Leidenschaften genauso ausgesetzt. Tag für Tag hackte er sich in das Transplantationsregister und starrte auf die Namen dieser zwei sturen Besitzer von passendem Knochenmark, und sein Gehirn lief auf Hochtouren, um eine Möglichkeit zu finden – egal, was für eine
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