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Blackout

Blackout

Titel: Blackout
Autoren: Gregg Hurwitz
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Quasselstrippen im Fernsehen konnten sich gar nicht einkriegen über die Nachricht von Lloyds Tod und, selbstverständlich, meine Beteiligung. Sie verkündeten allerdings
nicht,
dass ich Geneviève Bertrand nicht ermordet hatte, dass sie schon tot gewesen war, als ich sie gefunden hatte. Der Beweis für dieses Detail lag in meinem unzuverlässigen Frontallappen vergraben, und auf den hatte
Fox News
dann doch keinen Zugriff, sosehr sie sich auch anstrengen mochten.
    Aber ich hatte jetzt Zugriff.
    Zum stroboskopartigen Effekt des Blitzlichtgewitters stand Cal auf einem Podium vor dem Haus in North Hollywood und erläuterte detailliert, wie sie das Haus gestürmt hatten und mich und Sissy Ballantine vorfanden, die wir in dem improvisierten Krankenhauszimmer gerade wieder zu Bewusstsein kamen. Im Hintergrund schoben zwei kräftige Sanitäter gerade Janice auf einer Trage hinaus, und wir Zuschauer konnten im Zoom beobachten, wie sie zu einem wartenden Krankenwagen gerollt wurde.
    Die Nahaufnahme war angemessen – schließlich war sie, ohne es zu wissen, der Star der ganzen Geschichte. Ich war überhaupt nicht der Protagonist gewesen, sondern hatte – wie auch Kasey Broach und Sissy Ballantine – nur eine Nebenrolle innegehabt. Morton Frankel, mein Sündenbockkollege, hatte seine Rolle genauso gut gespielt wie ich, und als austauschbare Los-Angeles-Statisten hatten wir uns brav dorthin gestellt, wo wir stehen sollten, und unseren Text aufgesagt. Ich hatte auf Lloyds Manipulationen derart prompt und eifrig reagiert, dass man es kaum besser hätte machen können. Wenige Stunden nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis hatte ich ihn schon angerufen und hatte an der imaginären Wundkruste meiner Schuld herumgekratzt, bis tatsächlich Blut kam. Mit jedem Buch war Lloyds Beteiligung an meinen kreativen Prozessen gestiegen, wo er vorher ganz der trockene Wissenschaftler gewesen war. Ein paar von den teuflischsten Morden in meinen Romanen wären nicht halb so ausgeklügelt gewesen, hätte ich nicht Lloyds Hilfe gehabt. Und vielleicht wäre sein Verbrechen auch nicht halb so gut inszeniert gewesen, hätte er nicht meine Hilfe gehabt. Vielleicht waren diese Verbrechen aber auch nicht ausgeklügelt, sondern weit hergeholt.
    Unwahrscheinliche Fiktion? Natürlich. Andererseits will man ja aber die Geschichte auch nicht so konstruieren, wie sie am wahrscheinlichsten wäre. Wir wollen die Geschichte erzählen, die einem am meisten unter die Haut geht, wie ein gekrümmtes Filetiermesser.
    Ich wäre nie auf den Gedanken verfallen, aber Lloyd hatte sich als besserer Krimiautor erwiesen als ich.
    Ich tätschelte Xena den riesigen Schädel und genoss ein paar Minuten seliger Stille.
    Da läutete das Telefon. Nicht mein Handy, sondern das Festnetztelefon mit seinem glorreichen, herzhaften Klingeln, das sich mit leichter Verzögerung dann auch bei meinem zweiten Anschluss im Obergeschoss wiederholte. Das Geräusch erfüllte das ganze Haus. Es war, als würde mein Haus sozusagen wieder funktionieren.
    Ich ging zu dem schnurlosen Apparat, der an der Wohnzimmerwand hing, und nahm ab.
    »Fertig mit deinen Angebertouren?«, erkundigte sich Caroline.
    »Ich hoffe doch.«
    »Geht’s dir gut?« Irgendetwas in ihrem Ton verriet, dass sie sich tatsächlich große Sorgen gemacht hatte.
    Ich dachte einen Moment nach, dann antwortete ich wahrheitsgemäß: »Ja. Mir geht’s gut.«
    »Du bist nicht an dein Handy gegangen«, sagte sie. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich den Handyklingelton ja auf stumm geschaltet hatte, als ich Lloyds Haus betrat. »Deswegen habe ich auf deinem Big-Brother-Formular deine Festnetznummer nachgeguckt. Ich hab da was, was dich aufmuntern wird.«
    »Was denn?«
    »Mich?«
    »Liefern Sie auch nach Hause?«
    »Ja.«
    Sie legte auf. Xena drängte energisch ihre Schnauze zwischen meine Beine. Eifersüchtig, keine Frage.
    Ich ging zu meinem Auto, um das halbfertige Buch herauszuholen sowie die unbeschriftete CD aus Genevièves Haus, die ich unter die Fußmatte geschoben hatte.
    Als ich wieder oben war, setzte ich mich an meinen Schreibtisch, legte die Seiten neben mein Mousepad und steckte die CD in meinen Computer. Auf dem Bildschirm erschien iTunes. Ich wurde gefragt, ob ich Informationen über die Einzeltitel und das Album wünschte.
    Ich wünschte Informationen.
    Während iTunes suchte, bat mich ein waagrechter Balken um Geduld. Ich nahm den Hörer meines Büroapparats ab, um Chic anzurufen. Es tutete zum Zeichen,
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