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Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Titel: Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
Autoren: Meinhard von Gerkan
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nunmehr mit einer Summe in Höhe von 750   Millionen Euro für Schallschutzmaßnahmen.
    Diese wenigen Beispiele illustrieren, welcher Medienhype mittlerweile um den Hauptstadtflughafen entstanden ist. Es ist selbstredend das gute Recht der Fernseh- und Printjournalisten, ihrem Medium durch Skandalisierung die Aufmerksamkeit des Publikums zu sichern. Im Interesse des Bauprojekts und des Steuerzahlers, der für die durch den Stillstand auf der Baustelle entstehenden Kosten aufkommen muss, wäre freilich die Versachlichung der Debatte wünschenswert. Mitunter drängt sich der Eindruck auf, die Berichterstattung über den Hauptstadtflughafen nehme unvermittelt die Form des Selbsthasses an, mit unabsehbaren Folgen für das Markenzeichen »Made in Germany« und die wirtschaftliche Stellung Deutschlands auf dem globalen Markt.

Großbauprojekte zwischen Banal- und Signalarchitektur
    In der vormodernen Großraumarchitektur waren das Verhältnis von Funktion, Form und Inhalt sowie die Verträglichkeit der Bauten mit der Umwelt nicht problematisch. Die riesigen Aquädukte der Römer ermöglichten mit ihrem sanften Gefälle das Fließen des Wassers. Das bogenförmig gestaltete Mauerwerk hielt dem Druck des Wassers und dem eigenen Gewicht problemlos stand. Und das gesamte Ensemble sah gut aus. Noch heute bezeugen die Ruinen der antiken Wasserleitungen die Kardinaltugenden eines Bauwerks: Festigkeit, Nützlichkeit, Schönheit, Beständigkeit, so der römische Architekturtheoretiker Vitruv (um 80/70–15   v.   Chr.). Auch die Pyramiden widerstanden dem Zahn der Zeit. Ihre Funktion allerdings ist weniger eindeutig als die der Aquädukte. Manifestierten sich in ihnen die Macht und das Ansehen der in ihnen bestatteten Toten? Dienten sie als Observatorien oder gar als Zufluchts- und Versammlungsorte? Kirchen und Dome, das wiederum ist eindeutig, erstanden zum Lobe Gottes, gewährten Andacht und hoben die Seelen der Gläubigen empor. Paläste verkörperten Glanz und Gloria der weltlichen Herrscher, selbst Festungen protzten als ästhetische Bollwerke. Die Bahnhöfe des 19.   Jahrhunderts, Kathedralen der Geschwindigkeit, verherrlichten das moderne Tempo. Gleichzeitig jedoch, mitdem Aufkommen der industriellen Revolution, geriet das Bild der Architektur erstmalig massiv ins Wanken. Fabriken mit rauchenden Schloten nannte man im Mutterland der Industrialisierung »Dark Satanic Mills«, und die Slums mit dem darin eingepferchten Proletariat verpesteten die Städte auf ihre eigene höllische Art und Weise. Die Architektur bekannte sich schuldig und verblendete manch gebaute Scheußlichkeit mit kunstvollem Ornament.
    In unserer heutigen Zeit lässt sich allerdings kaum eine Gesellschaft mehr durch solche gestalterischen Schachzüge blenden und täuschen, die Fehler der gebauten Welt werden gnadenlos offengelegt. Architektur kann demzufolge heutzutage kein nobles Ansinnen mehr sein, sie ist gleichsam ein gefallenes Mädchen, das sich von Projekt zu Projekt zu erklären und, wenn nötig, auch zu rechtfertigen hat. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, bedarf es von Architektenseite wahrhaft magischer Kräfte. Sind Architekten nicht oft in der scheinbar hoffnungslosen Rolle eines Harry Potter, der mit seinen Künsten aufopferungsvoll die schwarze Magie eines Lord Voldemort bekämpft? Gemessen an der Zahl der Widersacher, der aufgefahrenen Häme und dem persönlichen Opfer des einzelnen Architekten geht es Harry Potter allerdings noch vergleichsweise gut.
    Zu den Widersachern (und magischen Verführern) der Architekten zählen Bauherren, die mit möglichst wenig Aufwand, möglichst schnell und kostengünstig, also billig, einenmöglichst großen, mit einer Klimahülle versehenen Raum bauen lassen, um maximalen Profit aus der Vermarktung der Immobilie zu schlagen. Aus solchen Bauprojekten entspringt banale Container-Architektur. Andererseits sollen die Container wertsteigernde Alleinstellungsmerkmale aufweisen. Banale Baumasse für die Rendite, regionales Aperçu als Beimischung an der Oberfläche oder als »Cocktailkirsche« für den Publikums- und Politikergeschmack.
    Seit Ästhetik als Marketingfaktor entdeckt wurde und Architektur von breiten Schichten   –   als Wohnung, Firmensitz oder über Fondsanteile   –   konsumiert wird, regiert der Durchschnittsgeschmack. So wie hohe Einschaltquoten beim Fernsehen und Auflagenhöhen der Boulevardblätter nur durch Anpassung an den Durchschnittsgeschmack erreicht werden, so verkauft
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