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Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Titel: Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
Autoren: Meinhard von Gerkan
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unbedingten und offenen Dialog mit allen am Prozess der Architektur beteiligten Kollegen, Ingenieuren, Firmen und Bauherren setzt. Eine Kündigung wie die durch den BER-Bauherrn ist in unserer Firmengeschichte einmalig und verletzt das von uns hoch geschätzte dialogische Prinzip schwer.
    Nicht einmal zwei von uns auf Sand gebaute Phantomstädte lösten bei den Bauherren vergleichbare Rachegelüste aus. 1977 hatte unser Büro den Auftrag erhalten, zwei Stadtsiedlungen, Taima und Sulayyil, in der Wüste von Saudi-Arabien zu planen und zu bauen. Ziel der Politik war es, Nomadenstämme sesshaft zu machen, und daher stattete man die Wüstenstädte mit allem erdenklichen Komfort aus: mit Schulen, Krankenhäusern, einem Kino, Moscheen und Fernsehern in den fertig eingerichteten Wohnräumen. Vor fünf Jahren bereiste ich eine der Städte davon wieder. Nach zehn Stunden Autofahrt durch die Wüste traute ich meinen Augen nicht. Zweiundzwanzig Jahre später sind die Bauten bis heute zwar intakt, aber fast unbewohnt. Die Nomaden sind weitergezogen. Unserem Büro freilich hat deswegen niemand einen Vorwurf gemacht. Es war halt eine politische Fehlkalkulation der saudischen Potentaten.
    Neugründung einer Wohnsiedlung in der Wüste Saudi-Arabiens.
Ein Programm des Königreichs sollte eine Domizilierung der hier lebenden Nomaden ermöglichen; 1980 fertiggestellt.
    Taima und Sulayyil in Saudi-Arabien. Architektur im Dialog mit der Wüstenlandschaft. Im Hintergrund Moschee und Minarett.
    Für an der Realität vorbei geplante Phantomarchitektur müssen wir aber nicht erst in ferne Länder reisen, wir haben sie direkt vor unserer Haustür. Auch in unserem Land gibtes gelegentlich den Widerspruch von politischem Willen und menschlicher Realität. Er manifestiert sich in verlassenen, unfertigen oder anderweitig genutzten Bauwerken. Die bundesdeutsche Hauptstadt Berlin ist reich an diesen Artefakten, besonders in Bezug auf große wie exponierte Bauvorhaben. Betrachtet man allein die Situation der Berliner Flughäfen, also Tempelhof, Tegel, Schönefeld und den neuen Airport Berlin Brandenburg, fühlt man sich unmittelbar in ein morgenländisches Märchen versetzt. Zumindest ich persönlich verbinde als einer der Architekten des Flughafens Tegel mit der Thematik Berliner Flughäfen von Anbeginn meines architektonischen Schaffens nur das Außergewöhnliche, wenn nicht sogar das Märchenhafte   –   Berlin-Tegel war Volkwin Margs und mein erster großer Auftrag   –, und in neuester Auflage auch den Albtraum. Ein Flughafen ist geschlossen, zwei   –   intakte   –   werden es, und der vierte erinnert mich an Taima und Sulayyil. Wieder spielen, wie im Jahre der Fertigstellung 1980, der Sand und die Nomaden eine gewichtige Rolle. Denn moderne Nomaden, das sind die international Reisenden, denen eine wenigstens transitorische Behausung in der Wüste des märkischen Sands gewährt werden soll. Pae Whites magischer Teppich in der Check-in-Halle vermittelt eben nicht nur zwischen Himmel und Erde, Ankunft und Abflug, er fixiert darüber hinaus einen Punkt des Transits, der im Gedächtnis der Reisenden haften bleibt und Zeugnis ablegt, dass es Berlin gibt.
    Diese Funktion des Flughafens Berlin Brandenburg als Fixpunkt im Universum des Transits ist zweifellos nicht die Hauptfunktion, sie ist eine unter vielen. Was aber ist eigentlich die Funktion eines modernen Flughafens? Die Regelung von Ankunft und Abflug der Maschinen? Die Kontrolle, Abfertigung und Weiterleitung der Reisenden? Weit gefehlt. Flughäfen sind mittlerweile zu gigantischen Verkaufsmaschinen geworden. Über die Vermarktung der Gewerberäume (Coffee-Shops, Modeboutiquen, Restaurants und anderer Verkaufs- und Büroflächen) soll ein Teil der Betriebskosten gedeckt werden. Der Flughafen Berlin Brandenburg verkümmert auf diese Weise zu einer Einkaufsmall mit Flughafenanschluss, zu einer Airport-Variante der an Deutschlands Autobahnanschlüssen zunehmend massenhaft geparkten Designer-Outlets der Investorengruppe McArthurGlen, bestehend aus einstöckigen Containern im Village Style mit Phantomgeschoss. Auf diese Architektur passt der von einem prominenten Kollegen geprägte Begriff des »Junkspace«. Die Ausweitung der Konsumzonen innerhalb der Flughäfen ist nicht auf das Terminal von BER beschränkt. Es handelt sich vielmehr um einen weltweiten, ambivalent zerstörerischen Prozess, den ich die »Vermallung« des Fliegens nenne und der sich auf die Flughafenplanung gravierend
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