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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart
Autoren: Gabrielle Zevin
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Mehrfacher Verstoß gegen die Bewährungsauflagen. Du hast dich viel rumgetrieben: Koffeinkonsum, Verletzung der Ausgangssperre und organisierter Schokoladenhandel.«
    Ich schwieg.
    »Wirst du denn niemals lernen, auf dem rechten Weg zu bleiben?«
    Immer noch antwortete ich nicht. Ich war so müde, dass ich fürchtete zusammenzubrechen.
    »Na, wir können jetzt genauso gut anfangen. Anya, lege bitte deine Sachen ab, damit du dekontaminiert werden kannst«, befahl Mrs. Cobrawick. Sie wandte sich an Dr. Henchen und sagte: »Ich fürchte, diese Kleidung kann nicht gerettet werden. Völlig überzogen von Schmutz.«
    Ich bückte mich, um meinen Rock auszuziehen. Dabei verspürte ich einen seltsamen Schmerz in der Brust und fiel vornüber auf den Boden, schlug mit dem Kopf auf den Fliesen auf. Der Länge nach lag ich da und musste mich übergeben. Dr. Henchen eilte an meine Seite. »Ihr Herz rast, sie läuft blau an. Wir müssen sie auf die Krankenstation bringen.«
    Ehe ich mich versah, lag ich auf einer Trage und wurde über Liberty Island zur Krankenstation geschoben. Ich war noch nie dort gewesen, doch sie war überraschend sauber und modern, verglichen mit dem Rest der Einrichtung. Ein Arzt schnitt mir die Schuluniform vom Leib, Elektroden wurden auf meine nackte Brust geklebt. Ich hatte keine Kraft, mich zu schämen. Dann wurde ich zum zweiten Mal in weniger als vierundzwanzig Stunden ohnmächtig.
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, wollte ich mich aufsetzen, doch mein Handgelenk war ans Gitter des Bettes gekettet.
    Ein Arzt kam ins Zimmer. »Guten Morgen, Anya, wie fühlen Sie sich?«
    Ich dachte nach. »Krank. Erschöpft. Aber im Ganzen nicht schlecht.«
    »Gut, gut. Sie hatten gestern Nacht einen Herzvorfall.«
    »So was wie einen Herzinfarkt?«
    »So ähnlich, nur sehr viel schwächer. Mit Ihrem Herzen ist alles in Ordnung. Es war eine allergische Reaktion. Sie kann auf etwas erfolgt sein, was Sie gegessen haben, es ist auch möglich, dass jemand versucht hat, Ihnen etwas unterzuschieben, auch wenn es glücklicherweise keine tödliche Dosis war. Das werden wir alles erst dann genau wissen, wenn der Bericht der Toxikologie kommt. Die Ursache könnte auch einfach nur Stress sein. Ich kann mir vorstellen, dass Sie in letzter Zeit unter enormem Stress gestanden haben.«
    Ich nickte.
    »Aber für den Fall, dass es doch etwas Ernsteres ist, müssen wir Sie zumindest die nächsten Tage zur Beobachtung hierbehalten.«
    »Am frühen Samstagmorgen habe ich von den Wärterinnen ein Beruhigungsmittel bekommen. Kann es das gewesen sein?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich – zeitlich passt das nicht richtig zusammen –, obwohl das gut ist zu wissen. Also, ruhen Sie sich aus, Ms. Balanchine, und nehmen Sie’s locker. Im Flur warten mehrere Besucher, die Sie unbedingt sehen wollen. Wenn das für Sie in Ordnung ist, sage ich jetzt Bescheid, dass sie hereinkommen können.«
    Ich setzte mich, so gut ich konnte, im Bett auf und zupfte mein Krankenhaushemd zurecht, um sicherzustellen, dass niemand tiefere Einblicke bekam.
    Mr. Kipling, Simon Green, Scarlet, Imogen und Natty traten herein. Sie kannten bereits die offizielle Begründung – dass ich mit Bagatelldelikten gegen meine Bewährungsauflagen verstoßen hatte –, daher musste ich das nicht mehr erklären. Wie zu erwarten, mussten Natty und Scarlet weinen, dann bat ich alle außer Mr. Kipling und Simon Green, den Raum zu verlassen. Nachdem ich die Höhepunkte meiner Unterredung mit Charles Delacroix wiedergegeben hatte, seufzte Mr. Kipling, und Simon Green stand auf und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Das leuchtet deutlich mehr ein als die Bagatelldelikte. Ich habe mich schon gefragt, warum sie dich wegen Kaffee und Sperrstunde belästigen«, sagte Mr. Kipling. »Und, was hast du jetzt vor, Anya?«
    »Ich denke, ich sollte New York verlassen«, sagte ich rundheraus, ohne vorher überlegt zu haben.
    »Ganz bestimmt, Anya?«, fragte Simon Green.
    »Ich kann nicht hier drinbleiben. Wer weiß, wie lange es Charles Delacroix gefällt, mich wegzusperren? Jetzt spricht er von Januar, aber ich vertraue ihm nicht mehr. Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht weiß, ob ich das überleben würde. Eventuell hat letzte Nacht jemand versucht, mich zu vergiften. Ich muss hier raus. Es gibt keine Alternative.«
    Mr. Kipling nickte Simon Green zu. »Dann werden wir dir helfen, einen Plan auszuarbeiten.«
    Der junge Anwalt senkte die Stimme. »Meiner Meinung nach
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