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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze
Autoren: Maria Sveland
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gilt auch für mich. Wie heftig die Krisen zwischen Johan und mir auch waren, er war immer der Gefestigtere, überzeugt sowohl von meiner Liebe zu ihm als auch von seiner zu mir. Das hat mich zeitweise unglaublich provoziert.
    »Kapierst du denn nicht, dass ich auf dem besten Weg bin, dich zu verlassen?«, habe ich im letzten Herbst einmal geschrien, als es besonders schlimm war. Ich hatte tatsächlich erwogen, ihn zu verlassen. Träumte davon, allein zu leben und das Sorgerecht für Sigge mit ihm zu teilen. Und doch schien es nicht richtig bei ihm anzukommen.
    »Ich weiß, dass wir uns guttun«, wiederholte er nur immer wieder.
    Und sosehr es mich auch provozierte, so sehr beruhigte es mich. Das muss ich zugeben.
    Will man (ich) wohlwollend sein, kann man den Grund für diese Unerschütterlichkeit in Johans intakter Familie und geborgener Kindheit sehen. Eine Grundsicherheit, die er von zu Hause mitbekommen hat, eine Gewissheit, dass er gut ist, so wie er ist, dass er geliebt wird als der, der er ist. Will man (ich) etwas mehr in Richtung Verschwörung denken, kann man darin den Ausdruck einer patriarchalen Erziehung sehen. Eine aufgeblasene Selbstsicherheit, die viele Männer einfach so mitbekommen haben.
    Mir wird klar, dass ich genau solche Sachen herausfinden muss. Was ist verdammte Struktur, und was ist private Angst? Wie viel Grund habe ich eigentlich, bitterfotzig zu sein? Ziemlich viel, wenn ich mir selbst glaube. Das sagt mir meine Erfahrung. Ich habe sogar eine Liste mit Fakten, die meine Verschwörungstheorie stützen; ich lese sie manchmal durch, um sie nicht zu vergessen. Eine Art bitterfotzige Statistik, die sich auf kleine Notizen und Artikel gründet, die ich im Lauf der Jahre gelesen und über die ich mich aufgeregt habe.
     
Eine Sozialstudie weist nach, dass Ehen viel leichter kaputtgehen, wenn der weibliche Partner erkrankt. Frauen mit Gebärmutterkrebs werden doppelt so oft geschieden wie gesunde Frauen. Bei Männern mit Prostatakrebs ist es genau umgekehrt. Bei ihnen ist das Risiko einer Scheidung geringer als bei gesunden Männern.
Mehr Frauen als Männer spenden Organe, aber mehr Männer als Frauen sind Organempfänger. Diese Feststellung ist so niederschmetternd, dass nun untersucht wird, ob es sich dabei um die gleiche Art der Geschlechterdiskriminierung handelt wie bei der Tatsache, dass Männer oft teurere Medikamente bekommen als Frauen.
Eine soziologische Untersuchung hat gezeigt, dass verheiratete Frauen öfter psychisch krank sind als unverheiratete. Bei den Männern jedoch ist es umgekehrt: Unverheiratete Männer haben öfter psychische Probleme, während es den verheirateten ausgezeichnet ging. Die Ehe hilft den Männern und schadet den Frauen.
Alle sonstigen Ungerechtigkeiten. Misshandlungen, Vergewaltigungen, Prostitution, Lohndiskriminierungen. So weit verbreitet, dass man von einer globalen Apartheid sprechen könnte.
    Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen, und genau das macht es so schwer, nicht bitterfotzig zu werden. Auch wenn ich es lieber nicht wäre. Und ich denke viel darüber nach: Wie kann ich es schaffen, nicht bitterfotzig zu werden, wenn das weltweite Patriarchat bis in die kleinsten Bestandteile hinein beherrschend ist?
    Der missmutige Mann und seine rosa Alkoholikerin haben ihr Essen bekommen. Er schneidet große Bissen von einem Fleischstück ab, während sie in einem Krabbensalat stochert, dafür aber umso mehr Weißwein trinkt. Vermutlich starre ich sie an, denn plötzlich hebt sie ihr Glas und prostet mir zu. Ich lächle und proste zurück. Der Mann grunzt etwas Unverständliches auf Deutsch und isst weiter.
    Ich kann einfach nicht aufhören, dieses eheliche Unglück anzustarren. Ich präge es mir ein, damit es für immer haften bleibt. Bestimmte Bilder, bestimmte Ereignisse, ein bestimmtes Wissen will ich nie mehr vergessen. Und es gibt andererseits Wissen, das nie verschwindet, sosehr ich es auch möchte.
    Wie diese Studie, dass verheiratete Frauen mehr psychische Probleme haben als unverheiratete Frauen. Wir wissen es, und doch will bei Millionen von sehnsuchtsvollen Frauen die Hoffnung nicht sterben. Ein kleiner Traum, dass gerade ihre Liebe stärker ist als die verdammte Statistik und die verdammte Kultur. Aber der Verdacht ist da und lässt uns nicht in Ruhe. Ein nagendes Gefühl, das mir langsam, aber sicher Lebenskraft, Zeit und Energie raubt.
    Oder wie die Vorsitzende der schwedischen Feministinnenpartei, Gudrun Schyman, die in ihrer von den
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