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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze
Autoren: Maria Sveland
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und ihren Liebhaber.
    Ich sitze in einem Flugzeug nach Teneriffa und nicht nach Wien zu einem Spontanfick bei einer Psychoanalytikerkonferenz.
    Neben mir sitzt ein jüngeres Paar, und als ich mein Buch heraushole, höre ich, dass sie schnieft. Sie hat sich dem kleinen Fenster zugewandt, die Schultern beben. Ihr Mann, ein Typ im Anzug und mit kurzen, ordentlich geschnittenen Haaren, sieht, dass ich es sehe. Er zeigt auf mein Buch und verdreht die Augen.
    »Du musst entschuldigen, aber meine Freundin hat Flugangst. Sie sollte vielleicht dein Buch lesen«, sagt er und versucht ein kleines Lachen. Es bleibt ihm im Hals stecken und klingt nur gemein. »Ich begreife überhaupt nicht, wovor du Angst hast. Du weißt doch, dass Autofahren gefährlicher ist als Fliegen!«
    Er schaut mich an, um Bestätigung zu bekommen, aber ich schaue nur in mein Buch. Sie dreht sich zu ihm um und schnieft an seine Schulter.
    »Ja, ich weiß. Ich bin unglaublich blöd, aber ich kann nichts dafür.«
    Die Stewardess kommt zu uns, eine ältere Frau mit einem großen, mütterlichen Busen. Sie beugt sich vor und spricht mit ihrem sorgfältig geschminkten rosa Mund. Eine beruhigende Stewardessenstimme und freundliche Augen begegnen dem Blick des Flugangstmädchens.
    »Möchtest du mit nach vorne kommen und schauen, wie es im Cockpit aussieht?«, fragte die Stewardess, sie riecht nach Tantenparfüm und ich mag sie. Das Flugangstmädchen auch, glaube ich, sie ist froh, dass jemand versucht, sie zu trösten, anstatt sie zu verhöhnen.
    »Nein danke. Ich glaube, lieber nicht. Es geht meistens vorbei, wenn wir in der Luft sind. Beim Starten und Landen ist es am schlimmsten.«
    »Ja, das geht den meisten so«, antwortet die Stewardess. »Soll ich dir einen Whisky bringen?«
    »Ja, gerne. Vielen Dank!«, sagt das Flugangstmädchen und sieht ihre gute Fee dankbar an. Der Freund schweigt und findet das Ganze wahrscheinlich nur peinlich. Ein Spektakel.
    Wir fliegen. In großer Höhe. Es dröhnt in den Ohren, und ich bin froh, dass wir jetzt fliegen.
    Die Stewardessenstimme im Lautsprecher ist sanft. Sie heißt uns willkommen und wünscht uns einen angenehmen Flug. Und ausgerechnet heute hat sie auch noch fantastische Sonderangebote. Für uns alle.
    Ein Parfüm für nur hundert Kronen aus dem berühmten Hause Gucci. Oder warum nicht drei Mascaras für lange, schöne Wimpern. Und alles zu einem besonders günstigen Preis!
    Ich weiß nicht, seit wann die armen Stewardessen auch noch als Verkäuferinnen arbeiten müssen, aber das Flugangstmädchen kauft die Wimperntusche, und ihr Typ schmollt weiter still vor sich hin, anstatt sie zu trösten.
    Kleine Frühstückstabletts werden verteilt, ich esse und spüre, wie mit dem süßen Joghurt, dem warmen Käsebrötchen und dem schwarzen Kaffee die Müdigkeit verschwindet. Vielleicht beruhigt das Frühstück oder der Whisky auch das Flugangstmädchen, denn jetzt weint sie nicht mehr und will reden.
    »Hast du nie Angst vorm Fliegen?«, fragt sie.
    »Nein, aber ich habe Angst vor einer Menge anderer Sachen!«, sage ich. Ich will nicht, dass sie sich noch blöder vorkommt. Außerdem ist es die reine Wahrheit. Ich habe vor allem Möglichen eine Riesenangst, abends allein von der U-Bahn nach Hause zu laufen, vor dem Autofahren, Fahrradfahren, nicht geliebt zu werden.
    Sie fragt mich, ob ich allein reise, und als ich Ja sage, schaut sie mich mit großen Augen an.
    »Mein Gott, bist du mutig, das würde ich mich nie trauen!«
    Es freut mich, dass es einen Menschen gibt, der mich mutig findet. Auch wenn es nur eine junge Frau mit Flugangst ist. Ich lächle sie an und erzähle ihr, dass ich zu Hause einen kleinen zweijährigen Sohn habe, der mir den Schlaf raubt, und dass ich jetzt mal eine Pause von alldem brauche.
    »Er heißt Sigge. Möchtest du ein Foto sehen?«, frage ich und zeige ihr stolz das Bild, das ich immer bei mir habe. Eine Trophäe und zur Erinnerung, falls ich ihn vergessen sollte, denn es ist nicht zu leugnen, dass meine Tagträume immer öfter von der großen, freien Zeit des Alleinseins handeln. Ohne Mann und Kind. Von der Art von Einsamkeit, die einem Raum zum Denken gibt. Und aus diesen Tagträumen entsteht große Schuld und Emotionslosigkeit.
    Ich habe mit einem Mal das Bedürfnis zu erklären, dass ich normal bin, Familie habe und alles. Aber das hat eher die entgegengesetzte Wirkung auf das Flugangstmädchen. Jetzt bin ich auf einmal nicht mehr die Mutige, die sich traut, allein zu verreisen, sondern
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