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Bitterfotze

Bitterfotze

Titel: Bitterfotze
Autoren: Maria Sveland
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aus dem Augenwinkel wischt, Cattis gibt ihr ein Taschentuch, in das sie sich schnäuzt.
    Ich liebe Cattis, weil sie so nett zu meiner Mutter ist. Sie ist zu allen nett, hat immer Zeit, lange Geschichten vorzulesen, und nie eine gereizte Stimme.
    Wir umarmen uns und sagen Tschüs, ich sehe durchs Fenster, wie Mutter zu ihrem dummen Chef radelt, und wir setzen uns hin und essen Grießbrei mit Zimt und Zucker und Milch.
    Spät am Nachmittag kommt meine Mutter uns abholen. Cattis ist schon gegangen, und Lena, eine neue Erzieherin, ist noch da. Sie arbeitet erst seit zwei Monaten in unserer Kita und kennt Mutter noch nicht so gut.
    »Entschuldige, dass ich so spät komme«, sagte meine Mutter und stellt die schweren Einkaufstüten ab, »ich habe heute Morgen mit Cattis abgesprochen, dass es etwas später wird, und sie sagte, es sei okay.«
    Lena lächelt Mutter zu.
    »Ja, es ist okay, ich verstehe, dass es nicht immer leicht ist als Alleinerziehende mit zwei Kindern.«
    Ich sehe, wie meine Mutter verstummt und nicht weiß, was sie antworten soll.
    »Nein, ich bin nicht alleinerziehend«, sagt sie nach einer Weile, »aber mein Mann hat im Moment sehr viel zu tun.«
    »Aha«, sagt Lena und schaut erstaunt, »ich dachte nur … ich habe deinen Mann noch nie gesehen und deshalb angenommen, dass du alleinerziehend bist …«
    »Ja, das verstehe ich«, sagt meine Mutter und zieht uns die Mäntel an.
    Später am Abend, als wir im Bett liegen und meine Mutter glaubt, dass wir eingeschlafen sind, höre ich, wie sich meine Eltern in der Küche streiten.
    »Was glaubst du, wie ich mich fühle?«, sagt Mutter zu Vater, »erst meine Kollegin, die ich am Sonntag im Stadtpark getroffen habe, und heute Lena in der Kita. Alle glauben, ich sei alleinerziehend, weil du nie dabei bist!«
    Ich höre nicht, was Vater antwortet, ich lege mir das Kissen über den Kopf und fantasiere über einen lieben großen Bruder. Er heißt Fredrik, und er umarmt mich oft und lange, weil er mich so gernhat. Er sagt, ich sei die süßeste kleine Schwester auf der ganzen Welt und dass er immer für mich da sein wird. Im Sommer laufen Fredrik und ich zusammen zum Strand hinunter und baden jeden Tag. Dort warten Fredriks gleichaltrigen Freunde. Sie mögen mich auch, ich darf immer mitspielen, so lange ich will.
    Ich widme den Gedanken an Fredrik viel Zeit. In meiner Fantasie erschaffe ich eine ganz neue Familie für mich und Fredrik. Mit anderen Eltern und ohne kleine Geschwister. Meine Fantasiefamilie besteht nur aus mir und Fredrik und unseren netten Eltern, die sich nie streiten.
    Ich liege auf meinem Bett in meinem Mädchenzimmer und fantasiere über Fredrik, als es an der Tür poltert. Kajsa kommt herein und will meine Puppen ausleihen, ich hätte so viel lieber einen großen Bruder als eine kleine Schwester. Ich schiebe sie hinaus und sage ihr, dass sie nie wieder mein Zimmer betreten darf! Verfluchte Göre! Und dann schließe ich ab und gehe auf den Spielplatz.
    Auf dem Klettergerüst sehe ich den großen Johnny. Er wohnt in einem Reihenhaus hinter uns und ist ein paar Jahre älter. Manchmal tausche ich in meinen Fantasien Fredrik gegen Johnny aus. Er ist hübsch, hat dunkle Haare und blaue Augen, aber ich traue mich nicht, ihn einfach so anzusprechen. An manchen Tagen sieht er böse und traurig aus und sitzt alleine auf der Schaukel. Seine Eltern sind geschieden, er wohnt jetzt allein mit seiner Mutter, die hier in der Gegend niemanden zu kennen scheint. Aber an diesem Tag schaut er mich an, als ich auf ihn zugehe. Er ist wirklich hübsch, richtig süß, und ich denke, er kann mein großer Bruder sein, wenn er will.
    »Hallo!«, sage ich und bleibe unten am Klettergerüst stehen.
    »Hallo!«, sagt Johnny und schaut auf mich herab.
    »Sollen wir zusammen spielen?«, frage ich.
    »Nee«, antwortet er einfach, springt vom Klettergerüst und geht weg. Ich schaue ihm nach, seine graue Kapuzenjacke und die braunen Segelschuhe verschwinden zwischen den Häusern. Ich bleibe eine ganze Weile stehen und scharre mit den Füßen im Sand, bevor ich auch nach Hause gehe.
    Mein Vater ist aufgewacht und frühstückt allein in der Küche. Er hat sich Eier und Speck gebraten, und ich höre am Schweigen, dass er und Mutter immer noch böse miteinander sind. Ich spüre, wie es hinter den Lidern zu brennen anfängt, Vater schaut mich und meinen rot gefleckten Hals an.
    »Hallo! Wie geht es?«, sagt er und seine Stimme ist ungewöhnlich nett.
    Die Tränen fließen, und ich
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