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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Anna Lucia war zwar heftig, aber nur von kurzer Dauer gewesen, während das Dahinsiechen von Johann Mosees nahezu ein Jahr andauerte.
    Gesche hatte ihm immer wieder kleine Mengen Arsen unters Essen gerührt, damit er leidend das Bett hüten musste. In dieser Zeit konnte sie seelenruhig seine Speisekammer plündern. Mitgefühl vortäuschend, versorgte Gesche den Mann immer wieder aufs Neue mit vergifteten Leckereien. Mosees hingegen glaubte, in ihr eine fürsorgliche Betreuerin gefunden zu haben, und dankte es ihr überschwänglich, indem er ihr einen bedeutenden Nachlass zukommen lassen wollte. Nachdem Gesche geprüft hatte, dass er ihr das Geld tatsächlich gutgeschrieben hatte, gab sie ihm einen Kuss und verabreichte ihm unter Tränen die tödliche Dosis Gift. Der fromme Johann Mosees starb, vor Schmerzen rasend, am 5. Dezember 1825.
    Bei der Erinnerung an ihren Freund und Berater Mosees schlug Gesche ihre Augen auf und kaute auf der Innenseite ihrer Wange. »Auch so ein Trottel!«, fauchte sie. Allerdings stillte sein Tod ihr Verlangen zu töten. Doch leider nur kurz! Schon bald kam der Wunsch, jemand anderem Leid zuzufügen, zurück. Jedes Mal, wenn Gesche Besuch von einzelnen Personen bekam, spürte sie, wie der Trieb in ihr wuchs, die Mäusebutter an demjenigen auszuprobieren. Aber sie unterdrückte ihre Gier so lange, bis erneute Geldsorgen sie plagten. Gesche benötigte dringend ein neues Opfer, das ihr die Ehe versprach und sie deshalb in seinem Testament bedachte. Kaum war der Gedanke in ihr gereift, wusste sie auch schon, wer das sein würde.
    Gesche hatte sich mittlerweile das Vertrauen des Radmachermeisterehepaars Rumpf erschlichen, indem sie ihnen verwandtschaftliche Gefühle vorgaukelte. Das ging so weit, dass sie ihnen eines Tages mit trauriger Stimme erklärte, wie einsam sie sich vorher gefühlt hätte, da ihre gesamte Verwandtschaft einschließlich der Kinder verstorben wäre. Sie wäre dem lieben Herrgott so dankbar, dass sie in dem Ehepaar eine Ersatzfamilie gefunden hätte. Aus diesem Grund würde Gesche bei ihrem Ableben dem Radmacherehepaar ihre wenigen Habseligkeiten vermachen. Gerührt über so viel Freundlichkeit, wurde sie für Frau Rumpf eine enge Vertraute. Gesche umsorgte die neu gewonnene Freundin liebevoll während ihrer Schwangerschaft, und auch nach der Niederkunft kümmerte sie sich mit Hingabe um die Frau, die das Bett hüten musste. Als Frau Rumpf fünfzehn Tage später verstarb, zweifelte niemand daran, dass das die Folge der schweren Geburt sei. Nicht einer vermutete, dass es auch mit der Suppe zu tun haben könnte, die Gesche der Frau täglich zu essen gegeben hatte.
    Kaum war Frau Rumpf beerdigt, beschloss Gesche, sich in das unglückliche Herz des Herrn Rumpfs zu schleichen. Liebevoll tröstete und umsorgte sie den Witwer. Gesche ließ schon bald scherzhaft verlauten, dass sie einer Heirat nicht abgeneigt wäre, denn sie musste schnell ihre Finanzen aufbessern. Doch der trauernde Mann war nicht bereit für eine erneute Eheschließung.
    Bei dem Gedanken an Herrn Rumpf erwachte Gesche aus ihrem leichten Schlaf und rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. Dieser Mistkerl hat es gewagt, mich von sich zu weisen, erinnerte sie sich säuerlich. »Ich werde niemals wieder heiraten und falls doch, dann bestimmt keine Witwe«, waren damals seine Worte gewesen, die jetzt noch einen bitteren Nachgeschmack bei Gesche hinterließen. »Beinahe wäre es mir geglückt«, murmelte sie und schloss erneut die Augen.
    Da Rumpf nicht in die Eheschließung einwilligte, besiegelte er sein eigenes Schicksal. Gesche wollte ihn allerdings nicht gleich töten. Er sollte mit Hilfe des Giftes nur erkranken, denn sie hoffte, ihn während des Leidens umstimmen zu können. So mischte sie ihm zwar nur wenig Arsen unter das Essen, aber dafür täglich.
    Gesches Nervosität wuchs beständig, denn Rumpf ließ sich trotz seiner Qualen nicht überzeugen, seine bemühte Pflegerin zu heiraten. Zu dieser Zeit bekam Gesche auch noch die Nachricht, dass ein weiterer Geldgeber aus Hannover seine verliehenen Taler zurückhaben wollte. Gesche verlor nun endgültig die Geduld, länger auf den Witwer zu warten, und beschloss, sich das Geld von jemand anderem zu holen. Und dieser Jemand war ihre ehemalige Magd und jetzige Freundin Beta Schmidt, die zwischenzeitlich verheiratet und Mutter geworden war. Beta Cornelius, wie sie jetzt hieß, stand kurz vor der Niederkunft ihres zweiten Kindes, als ihr Mann beruflich
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