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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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Dämonen sie zu diesen Taten verführt hätten. Da sich das Verhör über die Jahre hinzog, glaubte sie, dass sich ihr Schicksal zum Guten wenden würde. Doch die Taten sprachen für sich. Fünfzehn Giftmorde wurden ihr zur Last gelegt und nachgewiesen, ebenso viele Vergiftungen, die bei den Opfern glücklicherweise keine schädlichen Folgen zurückgelassen hatten. Außerdem verurteilte man sie wegen Ehebruchs, Meineids, Einbruchs, Diebstahls, Unterschlagung und des Versuches, ihre Leibesfrucht abzutreiben.
    Der Richter meinte in seiner Abschlussrede, dass Gesche Margarethe Gottfried die Taten nicht aus Leidenschaft zur Gewalt begangen hätte, sondern weil sie schlichtweg glaubte, niemals entdeckt zu werden. Die Angeklagte hätte sich in ihrem Tun sicher gefühlt. Gesche Margarethe Gottfried wurde daraufhin zum Tod durch das Schwert verurteilt. Zwar machte ihr Verteidiger sie darauf aufmerksam, dass sie beim Senat um Begnadigung bitten könne, doch Gesche lehnte ab. »Ich gebe gern mein Leben! Es ist das Wenigste, was ich für so viele Verbrechen geben kann«, erklärte sie leise und unter Tränen.
    Gesche riss die Augen auf. Der Abend senkte sich über Bremen und verdunkelte langsam ihre Zelle. Sie zog die Beine an, faltete ihre Handflächen unter ihren Wangen und flüsterte: »Morgen ist alles vorbei!« Dann schloss sie die Augen und schlief ein.
    Gesche Margarethe Gottfried wurde durch das knarrende Geräusch des Schlüssels geweckt. Sie schielte durch ihre halbgeschlossenen Lider und erblickte zwei schwarz gekleidete Männer sowie eine Frau in grauer Sträflingstracht. Im ersten Augenblick wusste Gesche nicht, was los war, und es dauerte einige Augenblicke, bis sie klar denken konnte. Doch als es in ihr Bewusst- sein drang, spürte sie, wie das Blut schneller durch ihre Adern schoss und der Herzschlag sich beschleunigte.
    »Heute ist der 21. April 1831«, flüsterte Gesche und stand wankend auf, sodass die fremde Frau ihren Ellenbogen umfasste, damit sie nicht zurück aufs Bett fiel.
    Gesche wollte die Hand wegstupsen, doch sie besann sich. Was soll's, dachte sie und blickte zu den beiden schwarzen Gestalten.
    »Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr den Priester nicht sprechen wollt, Frau Gottfried?«, fragte der eine mit finsterer Miene.
    Gesche nickte mit zusammengekniffenen Lippen. »Soll er mich so schändlich angezogen sehen? Gekleidet in der Sträflingstracht?«, fauchte sie. Daraufhin zuckte der Mann die Schultern und verließ mit dem anderen Beamten die Zelle. Nur die Frau blieb.
    »Schneidet den Kragen ab, damit Platz zum Schwertstreich werde!«, zischte Gesche und hielt ihr das Kleid hin. Mit steifen Beinen setzte sie sich auf den Schemel. Die fremde Zuchthäuslerin taxierte sie kurz und riss ihr das Kleidungsstück aus der Hand. Mit finsterem Blick brachte sie es zur Tür, damit man dort den Kragen entfernte.
    Kaum bekam Gesche das Gewand zurück, streifte sie es sich über und die beiden Männer kamen wieder herein.
    »Gebt mir noch eine Minute«, bat Gesche leise und ging zu dem Tisch, wo sie ein letztes Mal ihre Bücher berührte. Leise betend, schloss sie die Augen. »Amen«, murmelte sie und wandte sich um. »Ich bin bereit«, erklärte sie und ließ sich durch den Gang hinaus in den Gefängnishof führen, wo sie in einen Pferdewagen stieg.
    »Ich fürchte mich vor den Exzessen der Gaffer«, flüsterte sie kreidebleich. Der dunkelgekleidete Mann rief einen Polizeidiener zu sich und gab ihm leise Anweisungen. Der junge Mann kletterte daraufhin zu Gesche auf den Wagen und setzte sich neben sie. Sofort ergriff sie seine Hand, sodass der Polizist erschrocken aufschaute. Doch als er ihre bittenden Augen sah, um die tiefe Schatten lagen, erwiderte er ihren Händedruck. Gesche lächelte verkrampft.
    Als das Pferdefuhrwerk den Marktplatz erreichte, auf dem das Schafott aufgebaut war, standen dort bereits Tausende von schaulustigen Menschen. Gesche blickte zu der elf Fuß hohen Hinrichtungsstätte, die schwarz behangen war. Gegenüber stand eine ebenso schwarze Tribüne und darauf entdeckte sie ihn, Senator und Jurist Franz Friedrich Droste.
    Nach seinem gestrigen gehässigen Benehmen hatte sich Gesche vorgenommen, ihn keines Blickes zu würdigen. Doch sie konnte nicht anders und sah zu ihm hinüber, denn sie wollte wissen, ob er das Gesagte wahr machen würde. Tatsächlich verzog er keine Miene und stand da, streng und ernst - genau so, wie er es ihr prophezeit hatte.
    Als Gesche das sah, schössen ihr sogleich
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