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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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nur sein Geld begehrt habe.«
    Gesche, die das ausschweifende Leben liebte, es sich aber nicht leisten konnte, lieh sich im Laufe der Jahre bei vielen Menschen Geld. Wollte einer der Gläubiger seine Taler zurückhaben, lieh Gesche sich von einem anderen die Summe und zahlte damit die Schulden zurück. So verstrickte sie sich tiefer und tiefer im Schuldensumpf und war in ständiger Geldnot.
    Mittlerweile hatte Gesches ehemaliges Wohnhaus in der Pelzerstraße das Ehepaar Rumpf erworben. Der Radmachermeister hatte sich trotz aller Unkenrufe, dass das Haus ein Unglückshaus sei, in dem die Menschen reihenweise gestorben wären, nicht davon abhalten lassen, das mehrstöckige Anwesen zu kaufen. Die Gottfried bewarb sich bei den Rumpfs als Haushaltshilfe, um gegen Kost und Logis zu arbeiten. Wie alle gut gemeinten Ratschläge bezüglich des Hauses ignorierte das Radmachermeisterehepaar auch die Warnung, sich von der ehemaligen Hausbesitzerin fernzuhalten, und stellte sie als Dienstmädchen ein.
    Gesche gefiel ihr neues Leben bei den Rumpfs. Die Nachbarschaft war ihr zugetan und so wurde jeden Tag zusammen gesungen und gebetet. Doch anstatt zu sparen, damit sie ihren Gläubigern die geschuldeten Taler zurückzahlen konnte, fing sie an zu reisen, fand Gefallen an geistigen Getränken und lebte ungesittet, unordentlich und wurde aufs Neue zur Mörderin. Denn als ein Kreditgeber sein verliehenes Geld von Gesche zurückforderte, fuhr sie für einige Tage zu ihm, um ihn zu umsorgen. Kaum war sie zurück in Bremen, ereilte sie die Nachricht, dass der Mann nach kurzer, heftiger Krankheit verstorben sei.
    Nun fand Gesche Gefallen an der Vorstellung, Herrin über Leid und Tod zu sein. Immer öfter verteilte sie kleinere Mengen des Gifts in ihrem engsten Bekanntenkreis. Sie wusste, dass es keine tödlichen Dosen waren. Aber sie wusste auch, dass die Mengen ausreichten, um ihren Opfern unsägliche Qualen zu bereiten. Zwei Jahre lang verabreichte sie willkürlich die Mäusebutter und ergötzte sich an den Schmerzen der Menschen.
    Der Schuldenberg schien Gesche zu erdrücken, sodass sie sich schnellstens Geld beschaffen musste. Die Zeit des planlosen Ausprobierens war vorbei. Sie musste handeln.
    In einem Gespräch erfuhr sie, dass ihre langjährige Freundin Anna Lucia Meyerholz für die Beerdigung des Vaters Geld zurückgelegt hatte. Allerdings wollte Anna, die als Klavierlehrerin ein karges Auskommen hatte, Gesche das sauer verdiente Geld nicht leihen, denn ihr Vater war sehr betagt, sodass sein Ableben nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Kaum hatte die Meyerholz Gesche die Hilfe verweigert, plante diese, sie umzubringen und sich das Geld durch einen vorgetäuschten Diebstahl zu verschaffen. Die Zeit drängte, denn ein Gläubiger hatte ihr eine letzte Rückzahlungsfrist eingeräumt. Gesche lud die Freundin zu sich nach Hause ein und reichte ihr ohne Mitleid die Mäusebutter, die sie großzügig auf Zwieback geschmiert hatte. Bereits als Anna Lucia sich auf den Heimweg machte, befielen sie starker Stuhldrang und heftiges Erbrechen. Kaum zu Hause angekommen, keuchte sie vor Pein und brüllte: »Ein glühendes Schwert schneidet mich in Stücke!« Sogleich rief man Gesche, die natürlich nicht von der Seite der Freundin wich und sie aufopferungsvoll pflegte. Sie blieb bis zum letzten Atemzug Anna Lucias, die schon bald, furchtbar entstellt, verstarb. Niemand hegte einen Verdacht, zumal sich Gesche um eine schnelle Beerdigung kümmerte und so kein Arzt den Leichnam mehr zu Gesicht bekam. »Die Gefahr, dass die Leiche platzt, ist zu groß«, erklärte Gesche dem blinden Vater der Freundin, während sie ihm die Wohnung ausplünderte.
    Als in der Ferne die Turmuhr zwölf Mal schlug, blickte Gesche zur Fensteröffnung hinüber. »Zeit fürs Mittagessen«, murmelte sie und schon drehte sich der Schlüssel im Schloss und die Tür sprang auf. Kohlgeruch durchzog den Raum, sodass es Gesche hob. »Du kannst den Fraß sofort wieder mitnehmen!«, rief sie der Frau zu, kaum dass diese den Raum betreten hatte. Die Küchenhilfe warf ihr einen verächtlichen Blick zu und tauschte die Tabletts rasch aus. Ohne ein Wort an Gesche zu richten, ging sie hinaus und schloss die Tür. »Dämliches Pack!«, schimpfte Gesche leise und zog sich die Bettdecke über die Füße, die eiskalt waren. Nicht mehr lang, dann war es vorbei. Erschöpft schloss sie die Augen. Während sie eindöste, dachte sie an ihren damaligen Nachbarn. Das Leiden ihrer Freundin
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