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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti
Autoren: Paul Grote
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ich habe dir davon erzählt. Nachmittags fotografierst du Castello di Bossi, unten in Berardena. Das machst du allein, ich halte mich da raus. Von da aus siehst du die Türme von Siena, ein wunderbarer Blick, aber für eine gute Aufnahme, auch mit Filter, ist es zu weit, da ist jetzt zu viel Dunst in der Luft.»
    «Würdest du das bitte mir überlassen? Du wolltest dich raushalten!»
    Frank seufzte. Er war froh, dass Christine so bei der Sache war, andererseits war es nicht leicht zu verkraften, dass sie ihm die Arbeit aus der Hand nahm.
    «Wenn übermorgen die Schiene abgenommen wird, was glaubst du, wann kannst du den Arm wieder bewegen?»
    «Das weiß keiner. Das ist wie bei Massimo Vanzetti. Da weiß auch niemand, ob er jemals wieder richtig laufen und sprechen wird.»
    «Meinst du, er bleibt gelähmt? Wie schrecklich. Ein einziger Schlag?»
    Frank zuckte mit den Achseln. «Wenn es an der richtigen Stelle ist ... Antonia hat einen Nerv getroffen. Selber schuld.»
    «Wird sie dafür bestraft?»
    «Nein, das war eindeutig Notwehr, außerdem wäre ich sonst verblutet.»
    «Dann hat sie dir das Leben gerettet?»
    «Das kann man so sagen. – So, da vorn musst du abbiegen...»
    «Das ist aber nicht der Weg zu ihrem Gut...»
    «Stimmt, da will ich auch nicht hin, ich will dir zeigen, wo alles anfing.»
    Sie hatten Fonterùtoli hinter sich gelassen und waren nach Quercegrossa gekommen, wo links ein Weg nach Vagliagli abzweigte, der nicht mit Schlaglöchern übersät war, das Gerüttel des Wagens hätte Frank in seinem Zustand kaum ausgehalten.
    Die Landschaft war ihm lieb geworden, besonders jetzt, wo die Bedrohung vorüber war: dunkle Eichenwälder, daneben die brachliegenden Felder und die Weinberge, die in den Herbstfarben rot und gelb aufloderten, dazu die späte, warme Sonne. Als sich der Wald öffnete, lag die Azienda Agricola von Niccolò Palermo vor ihnen.
    «Weshalb haben diese Prediger, wie du sie nennst, den Sohn und den Vater eigentlich umgebracht? Das war doch idiotisch! Dadurch ist alles aufgeflogen, oder?»
    «Stimmt», sagte Frank und biss sich auf die Lippen. Seine Augen wurden feucht, er schluckte und wandte sich ab, damit seine Tochter es nicht sah. Er räusperte sich, um sich von dem Kloß im Hals zu befreien. «Dort links, oben auf dem Hügel, wo die Rebzeilen enden, da haben sie mich niedergeschlagen. Hier vorn kannst du anhalten, da habe ich damals den Wagen abgestellt und den Reifen gewechselt.»
    Frank stieg aus und wischte sich über die Augen. Damals? Das war noch nicht einmal vier Wochen her. Er fragte sich, wie er das alles überhaupt überstanden hatte, und als sie ausgestiegen waren, legte er den gesunden Arm um Christines Schultern. Gemeinsam gingen sie auf die Azienda zu. Kein Laut war von dort zu hören.
    «Wenn einer hier was baut, dann muss es die Umweltbehörde genehmigen», sagte Frank in die Stille. «Die wird von einem Beirat unterstützt und kontrolliert. Palermo war in diesem Beirat und hat entdeckt, dass Strozzi die Genehmigung für seine neue Kellerei manipuliert und Beamte bestochen haben musste, sonst wäre die Baugenehmigung nie erteilt worden. Deshalb haben sie ihn umgebracht. Der Leiter der Mordkommission hat erzählt, dass die Prediger bei Palermo eigentlich nur Druck machen sollten, auf Anweisung von Strozzi. Vanzetti wusste angeblich davon nichts. Palermo hätte ziemlich heftig auf sie eingeprügelt. Dann hat der Sohn gesehen, wie sie seinen Vater erschossen – den Jungen haben sie von der Treppe geworfen ... er hat sich das Genick gebrochen. Die Dinge eskalieren manchmal, ohne dass man es will.»
    «So wie bei dir auf der Superstrada – und im Keller des Grafen? Hätte ich dir nie zugetraut.»
    Frank seufzte. Was sollte er dazu sagen? Ich mir auch nicht? Er war leichtsinnig gewesen, ein Narr. Doch – hatte er eine Wahl gehabt? Hatte man überhaupt jemals eine?
    Aber jetzt wollte er nicht weiter grübeln, sondern sich endlich Palermos Weingut ansehen. Antonia und Wanda wollten es kaufen und als Gemeinschaftsprojekt betreiben, denn der Kaufvertrag zwischen Signora Palermo und Carla Tuccanese war noch nicht rechtsgültig gewesen.
    Was mit den anderen Weingütern geschehen sollte, nachdem Tuccaneses Immobilien-Imperium zerfallen war, darüber würden sich die Anwälte wie die Hyänen streiten. Strozzi sollte angeblich in der U-Haft schon wieder das große Wort führen, das hatte ihm Rionero bei seinen häufigen Besuchen, wie er die Vernehmungen am Krankenbett nannte,
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