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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti
Autoren: Paul Grote
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würde sich nicht einmal wundern, wenn seine eigenen Kinder ihn reinlegen würden, vielleicht würde ihm das sogar imponieren, es entsprach wahrscheinlich seiner Auffassung von «Familienehre», was auch immer das sein mochte.
    Pandolfinis Umschlag ... Frank hatte ihn schon wieder ganz vergessen. Der junge Anwalt war brillant, aber wie er ihn bezahlen sollte, war Frank schleierhaft. Was würde er verlangen? Er könnte die Nachweise über die Käufe der Weingüter sicher auch für die Verteidigung des Consultore verwenden – der hatte Geld – und beweisen, dass sein Mandant mit diesen Geschäften und demnach mit den Morden nichts zu tun hatte. Frank konnte sich nicht vorstellen, dass Stefano jemanden erschoss. Andererseits hatte er den Killer zu seinem todbringenden Einsatz gefahren ... Aber jetzt galt es, erst einmal schnell den Inhalt des Umschlags zu überfliegen.
    Den zweiten Teil der Dokumente verstand Frank nicht, die Behördensprache war kompliziert, und erst beim zweiten Lesen dämmerte es ihm. Genial! Dieser Pandolfini war einfach genial. Das wird Vanzetti das Genick brechen, dachte Frank. Er war bis gestern für Frank eine abstrakte Größe gewesen, ein Scheusal von einem Ehemann, ein katastrophaler Vater, herrschsüchtig und machtbesessen – gestern war er zum Feind geworden, zum Todfeind.
    Möglicherweise besaß Vanzetti eine Waffe. Zum Weingut gehörten viele Hektar Wald, für die besaß er sicherlich das Jagdrecht und auch einen Waffenschrank mit einigen Gewehren. Frank erinnerte sich jedoch nicht, dass er im Haus etwas Ähnliches gesehen hatte, es wäre ihm aufgefallen.
    Frank steckte die Papiere zurück in den Umschlag, hängte sich die neue Kamera um den Hals, setzte den Blitz aufs Gehäuse, sah sich ruhig um und ging langsam die Stufen hinauf. Er öffnete leise das Portal und trat lauschend in den langen, dunklen Flur. Antonias Stimme war klar und deutlich, sie wurde lauter, als er sich der Loggia näherte, auch dort brannte Licht. Nach ihr hörte er einen Mann sprechen – Frank blieb stehen –, ja, es war Massimo Vanzetti, ein Wort gab das andere, der Streit eskalierte ... So stritten nur Ehepaare.
    «... von dir Widerling nicht zerstören», schrie Antonia, und ihre Stimme überschlug sich fast dabei.
    «Das ist es, was ich am wenigsten ausstehen kann», entgegnete Vanzetti kalt, «hysterische, keifende Weiber. Nichts hast du aufgebaut, jeder Stein hier gehört mir. Ohne mich wärst du ein Nichts! Signora Nobody.»
    «Wer hat denn aus diesem verkommenen Weingut einen Spitzenbetrieb gemacht?»
    «Ohne deine Busenfreundin Wanda ...»
    «Das kannst du dir nicht vorstellen, dass ich das selbst war. Du erträgst meinen Erfolg nicht, du bist neidisch, primitiv und verbohrt. Du hast dich so in deine Idiotie verrannt, dass du noch immer nicht begriffen hast, wen du vor dir hast.»
    «Es ist mir völlig egal, was du gemacht hast oder denkst oder bist. Ich, und sonst niemand, ich habe dich hier spielen lassen, und wenn ich Schluss sage, dann ist Schluss, kapiert, Signora Vanzetti? Du trägst zwar unseren Namen, aber bilde dir nicht ein, dass sich daraus irgendwelche Rechte ergeben.»
    «Da irrst du dich gewaltig. Das werden wir sehen. Außerdem weißt du genau, was ich hier gemacht habe. Du erträgst es nicht, dass sich die Frau, mit der du verheiratet warst, sich selbst einen Namen macht, dass dir jemand die Stirn bietet, dass es jemand wagt, sich gegen dich aufzulehnen, so wie damals, als ich mich geweigert habe ...»
    «... du hast dich immer nur geweigert, geweigert, dich anzupassen, hast nicht mitgemacht, nichts hat dir gepasst, die Clubs, die Gesellschaft, deine Rolle als Frau, du warst gegen alles. Was warst du denn, bevor ich dich genommen habe? Una piccola contadinella , ein kleines Bauernmädchen! Wenn ich dich nicht da rausgeholt hätte und wenn ich deinem Vater nicht den Hof und die Weinberge abgekauft hätte, dann hättet ihr nichts mehr zu beißen gehabt.»
    Vanzetti sprach schnell, abgehackt, nach jedem Halbsatz machte er eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. «Ich sehe sie noch vor mir, die kleine Küche, das Wachstuch auf dem Tisch, deine Mutter, die sich die Hände an der Schürze abwischt, und wie es da roch, in diesem Haus: Es roch nach Armut, es roch arm.»
    In Vanzettis Stimme lag so viel Verachtung für die Herkunft seiner Frau, dass es Frank peinlich war, heimlicher Zeuge dieser Auseinandersetzung zu sein. Da fiel ihm ein, was er in den Dokumenten gelesen hatte, die in dem
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