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Bitter Love

Bitter Love

Titel: Bitter Love
Autoren: J Brown
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Glück.
    Auf einem andern Bild saßen die beiden im Schatten zwischen zwei Bäumen auf moosigem Grund. Sie waren barfuß und hockten sich im Schneidersitz gegenüber. Ihre Knie berührten sich, die Gesichter lagen im Schatten. Es kam mir so vor, als würden sie sich gerade Geheimnisse erzählen.
    Und dann war da noch das Foto, auf dem Dad und Mom in der Küche von Oma Belle standen und sich wildküssten. Sie lehnte sich weit zurück und ließ die Arme an ihrer Seite runterbaumeln. Hinten auf dem Foto stand:
Tag der Rückkehr. Endlich wieder zusammen!
    Jedes Bild erzählte eine Geschichte. Aber es war eine Geschichte ohne richtiges Ende, denn Mom war weggegangen und Dad hatte uns nie gesagt, warum. Das Ende, das wir kannten, passte einfach nicht zu den Fotos.
    Die Mom auf den Bildern sah so sanft und zärtlich aus. Die Mom, die uns verlassen hatte, musste ein vollkommen anderer Mensch gewesen sein.
    Als ich noch klein war, hatte ich Dad nach all diesen Dingen gefragt. Warum wollte Mom nach Colorado? Wir kannten dort doch keinen und waren nie da gewesen. Aber Dad hatte als Antwort bloß irgendwas vor sich hin gebrummelt. Mom sei nicht ganz bei Trost gewesen, sie hätte keine Ahnung gehabt, was sie tut. Einmal hatte er gesagt, Moms »gottverdammte Gutgläubigkeit« hätte ihr schon immer geschadet. Allerdings merkte ich gleich, dass er mir nicht die ganze Geschichte erzählte. Für Mom war es um etwas gegangen in Colorado. Irgendwas dort war ihr wichtig gewesen. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien:
Du hast das doch gehört mit ihrem Gehirn auf der Straße, Dad, und du hast gesagt, du kriegst es nicht mehr aus dem Kopf. Trotzdem hast du’s jetzt vergessen!
    Schließlich sagte Shannin, ich müsste aufhören, Dad dauernd solche Fragen zu stellen, weil es zu schwer für ihn war, an Mom zu denken. Also ließ ich es bleiben. Aber ich konnte die Geschichte einfach nicht vergessen. Sie verfolgte mich. Bis in den Schlaf.
    In diesem Jahr bekam ich Albträume. Ich träumteimmer das Gleiche. Dad, der seine Schreie mit einem Kissen erstickte, Mom, die oben auf einem Berg stand und schrill lachte, mit einem weichen, sanften Gesicht und wehenden Haaren. In dem Traum ließ sie mich über die felsige Bergkante baumeln.
    »Dieser Berg gehört mir«, sagte sie, Rauchwolken stiegen ihr dabei aus dem Mund. »Ich will dich nicht hierhaben. Ich will dich überhaupt nicht, Alexandra.«
    Sie lachte nur, während ich strampelte und um mich trat und sie anbettelte, mich in Ruhe zu lassen.
    »Herrje, Alexandra«, frotzelte sie. »Mach nicht so ein Theater. Überleg mal, die müssen die Straße sperren, bis jemand mit einem Wasserschlauch kommt und dein Gehirn vom Asphalt spritzt. Ist das nicht aufregend?«
    Und wenn sie dann ihren Griff löste und mich fallen ließ, wachte ich jedes Mal auf.
    Es war so schlimm, dass ich mich am Ende weigerte, abends ins Bett zu gehen. Daraufhin schleppte mich Dad zu einem Therapeuten, der irgendwelches Zeug redete, das ich nicht verstand, über »Trauerarbeit« und »Bewältigung«. Er schlug Dad vor, mir etwas zu geben, das meiner Mutter gehört hatte, damit ich mich ihr näher fühlen würde.
    An diesem Abend kam Dad in mein Zimmer, mit einem gefalteten gelben Briefumschlag, den er fest umklammert hielt. Er räusperte sich und sagte: »Alex, Liebling, ich weiß, wie schwer du es hast ohne deine, mhm   …« Tränen stiegen ihm in die Augen, er musste schlucken und konnte nicht weitersprechen. Dann drückte er mir den Umschlag in die Hände. »Das hier hat deiner Mutter gehört. Ich hab es ihr geschenkt, in den Flitterwochen.Sie hatte es in ihrer Handtasche an dem Tag, als sie   …«
    Ich drückte den Umschlag an mich und sah, wie Dad immer wieder schluckte. Einen Satz zu Ende zu bringen, in dem es um meine Mutter ging, war anscheinend unmöglich für ihn. Er nickte mir zu und ich machte den Umschlag auf. Es war eine Halskette darin   – ein dünner Lederriemen mit einem kleinen Silberreif, in den mit einem seidig glänzenden, beinahe durchsichtigen Faden eine Art Netz gewebt war. Winzige Perlen, die wie Tupfen wirkten, schmückten das zarte Gespinst, und untendran hingen zwei weiße Federn, so klein, dass sie aussahen wie vom Schwanz eines Kolibris. Vorsichtig stupste ich die Perlen mit dem Finger an.
    »Das nennt man Traumfänger«, sagte er. »Soll vor schlechten Träumen schützen.«
    Er nahm die Kette und ließ den Anhänger hin und her baumeln, damit die Lederschnur sich aushängte, dann legte er
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