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Bitte sagen Sie jetzt nichts

Bitte sagen Sie jetzt nichts

Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts
Autoren: Loriot
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Publikums, das nun glaubt, dass es, wenn es in diese Martha- Inszenierung geht, im Grunde eine Oper von Loriot sehen wird.
    von Boehm Alle Protagonisten tragen Knollennasen?
    Loriot Irgend so etwas. Oder Wum tritt auf und Wendelin, und es gibt zwei Stunden ungetrübte Heiterkeit. Das ist natürlich Unsinn, denn ich inszeniere die Oper von Flotow, wo ich weder an der Musik noch am Text noch am Timing etwas ändere, sondern nur ein bisschen als Regisseur hier und da etwas von mir machen kann. Und ich warne jeden, der nun in die Martha geht in der Hoffnung, sich zwei Stunden nur über einen Humoristen amüsieren zu können — nein, er soll Spaß an Flotow haben. Denn diese Oper, die Flotow da konzipiert und komponiert hat, war als Entertainment gedacht, als Unterhaltung. Und das soll sie bleiben, und zwar von Flotow. Sie ist 135 Jahre alt, und wenn mich einer fragen würde: Was bedeutet uns Martha heute, dass ich sie inszenieren möchte? Dann würde ich sagen: Das ist nicht die Frage. Gar nüscht nämlich, die Geschichte ist nicht wichtig für uns, sondern es ist musikalisch und inhaltlich einfach ein gutes Stück Entertainment, und ich will zeigen, dass es eigentlich noch genau so unterhaltsam ist wie vor 135 Jahren.
    von Boehm Der Perfektionist Vicco von Bülow macht natürlich das Bühnenbild, macht natürlich die Kostüme, ganz klar. Das Regisseur-Sein hat sehr viel mit Ordnung und Ordnungssinn zu tun, was Ihnen wohl sehr liegt?
    Loriot Das liegt mir. Nur: Gerade weil es mir liegt, macht es mich fertig, denn eine Regiearbeit verlangt sowieso alles, was man leisten kann. Wenn man nun nebenher die wenige Freizeit, die dem Regisseur bleibt, noch dazu nutzen muss, sich um das Bühnenbild zu kümmern, die Kostüme, ist man im Grunde ständig übermüdet und halb tot. Und darum würde ich in einer anderen Inszenierung nur noch die Regie übernehmen, nicht mehr Bühnenbild und Kostüme. Muss ja auch nicht sein.
    von Boehm Sie lieben die Ordnung, Sie lieben die Symmetrie, aber gleichzeitig attackieren Sie zum Beispiel in Ihrem Humor und in Ihren Sketchen die Ordnung. Etwa bestimmte Benimmregeln oder auch eine gewisse Sprachordnung: Amtsdeutsch, Katalogdeutsch. Ist das kein Widerspruch? Ist da in dem, was Sie karikieren, die Grenze der erträglichen Ordnung überschritten?
    Loriot Das ist kein Widerspruch. Ich liebe die Ordnung, weil es ungeheuer reizvoll ist, sie zu unterlaufen. Oder umgekehrt gesagt: Weil mich der ganze Aberwitz unserer geformten Gesellschaft so überfällt, liebe ich auch die dazugehörige Ordnung, um den Widerspruch der Geschichte zeigen zu können. Darin liegt der ganze Reiz.
    Die in Deutschland manchmal so schmerzlich auftretende mangelnde Komik ist zum Teil darin begründet, dass wir keine aufregende Gesellschaft mehr haben. Wenn man das mit England vergleicht: England ist gestaffelt, angefangen bei der High Society, einer wirklichen High Society, die in Schlössern lebt und Butler hat und Rolls-Royce fährt. Und das geht bis zum Diener und dem Chauffeur und diesen ganzen Dingen, die alle sehr standesbewusst eben auch Chauffeure sind oder Arbeiter und auch gegeneinander kämpfen. Aber diese Staffelung bietet neben sozialen Problemen auch ungeheure Anlässe zur Komik. Und unsere Perfektion in Deutschland, dies alles möglichst auszugleichen, ebnet natürlich auch die Möglichkeit zur Komik stark ein.
    von Boehm Und die Möglichkeiten zur Beobachtung. Es ist dann eben nicht mehr so offensichtlich, es liegt unter der Oberfläche. Man muss daran kratzen, was Sie ja tun.
    Loriot Man muss ein wenig graben, ja.
    von Boehm Da gibt es noch etwas anderes bei Ihnen, was oberflächlich gesehen in diese Schublade Ordnung mit hineingehört: das Preußische. Was bedeutet Ihnen das Preußische? Wie beeinflusst es Ihre Einstellungen, Ihre Arbeit, Ihr Gemüt?
    Loriot Ich glaube, jeder Deutsche ist - das kommt in Gesprächen immer wieder zum Ausdruck - stolz auf seine Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe, einem Land, einem Staat. Ein Bayer wird immer sagen: Ich bin Bayer. Und ist stolz darauf. Und auch ein Hamburger ist das selbstverständlich. Auch ein Hesse oder ein Württemberger. Und so habe ich natürlich auch dieses Bewusstsein: Ich bin Preuße. Mit der Einschränkung, dass es Preußen leider nicht mehr gibt. Und nun wird Preußen zu so einem Weltanschauungsbegriff. Was Bayer-Sein oder Württemberger-Sein nicht ist. Den Preußen schiebt man einfach zu, dass sie alle so eine ganz bestimmte Art zu leben und
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