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Bitte sagen Sie jetzt nichts

Bitte sagen Sie jetzt nichts

Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts
Autoren: Loriot
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nicht sehr angenehm. Das heißt, es war auch nicht viel, aber meine Zeitung reagierte damals ängstlich.
    von Boehm Was haben Sie diesen ängstlichen Fragen der Kirche, wie man auf so etwas kommt, geantwortet?
    Loriot Ich habe diesem jungen Pfarrer geantwortet, dass auch ein Hund ein Teil der Schöpfung sei und durchaus zu respektieren. Und wir hatten einen Briefwechsel, der damit endete, dass er einsah, dass er eigentlich zu ernsthaft oder negativ über die Sache nachgedacht hatte, er habe meine Zeichnung nun oft zum Anlass von Besprechungen in der Gemeinde gemacht, vielleicht auch zum Anlass von Predigten oder so. Es hatte sich dann also gewandelt, nur die Serie im Stern wurde trotzdem eingestellt.
    von Boehm Sie sagten, dieser Skandal im Stern war 1955, und damals war man noch empfindlich. Hat sich denn seither der Humor der Deutschen verändert? Und wenn ja, durch welche Einflüsse?
    Loriot Nein, aber das Empfinden für Heikles hat sich natürlich geändert. Wenn man bedenkt, dass es damals in einer Illustrierten völlig ausgeschlossen war, einen unbekleideten menschlichen Körper auf dem Titelblatt abzubilden - damals vor 30 Jahren -, und dass heute eine Illustrierte, die kein unbekleidetes Mädchen auf dem Titelblatt hat, sofort eine große Anzahl von Lesern einbüßt, hat sich eben doch einiges geändert, nicht?! Und genau so hat sich der Sinn für Heikles in Bezug auf Humor oder anderes geändert. Die Zeit bleibt da nicht stehen. Weder auf diesem noch auf jenem Gebiet.
    von Boehm Mit Schadenfreude hat Ihr Humor eigentlich überhaupt nichts zu tun, selbst wenn mal jemand reinfällt und die Wohnung einstürzt, wenn er einen Nagel in die Wand haut ...
    Loriot Nein, Schadenfreude ist etwas, was mir völlig fehlt. Sie hat auch nichts Komisches. Im Sketch, auf den Sie anspielen, in dem ein Mann die Wohnung anderer Leute zertrümmert, liegt die Komik auch nicht darin, dass man sich drüber freut, dass er die Wohnung zerstört, sondern darin, dass es komisch ist, dass dieser Mann in seinem Bemühen, möglichst richtig zu handeln, etwas Falsches tut. Man amüsiert sich nicht darüber, dass er stürzt, sondern dass er, in der Absicht, etwas richtig zu machen, etwas Falsches getan hat. Und das ist etwas, das wir alle an uns haben. Und was uns täglich widerfährt. Darum kann man sich auch mit diesem Mann identifizieren. Die Schadenfreude identifiziert sich nie mit dem, der geschädigt ist.
    von Boehm Wenn man sich mit diesem Mann identifizieren kann, dann hätte das fast etwas mit Gerechtigkeit zu tun, weil jemand, der anscheinend etwas Dummes macht, plötzlich sympathisch wird. Und man ihn begreift.
    Loriot Natürlich, man kann das ja auf einen ganz einfachen Fall reduzieren. Zum Beispiel der Mensch, der sich einen Fleck in die Hose gemacht hat und versucht, mit einem anderen Mittel diesen kleinen Fleck rauszumachen, und der Fleck wird immer größer. Man weiß, dass man etwas Falsches getan hat in der Hoffnung, es richtig zu machen. Das erlebt jeder täglich selbst. Die Schadenfreude, die sich auf einen selbst bezieht, die ist sehr wohltuend. Sie ist nur unangenehm, wenn man jemand anderen gerne ausrutschen sieht.
    von Boehm So wie Sie das eben gesagt haben, hat das etwas mit Tragik im klassischen Sinne zu tun. Ist das Tragische manchmal komisch?
    Loriot Sicher ist es benachbart. Sie wissen natürlich so gut wie ich, dass der Begriff der Tragik darauf zurückzuführen ist, unschuldig schuldig zu werden. Die einzige Definition des Tragischen, die es gibt. Und das ist natürlich auch komisch, denn wenn jemand in aller Unschuld etwas tut und damit etwas Verheerendes anrichtet, ist das hart an der Grenze zur Komik.
    von Boehm Wenn ich zusammenfasse, was Sie bisher gesagt haben, dann sind Sie im Grunde kein Optimist.
    Loriot Nein, sicher nicht.
    von Boehm Keineswegs?
    Loriot Nun, ich möchte es doch ein klein wenig relativieren. Ich bin im Kleinen Pessimist. Aber im Großen Optimist. Und ich meine eigentlich: Es wird schon gut gehen. Wenn ich auch weiß, dass ich in den nächsten fünf Minuten auf die Schnauze fallen kann. Aber am Schluss, im Ganzen, wird es dann wohl doch ein gutes Ende nehmen. So hoffe ich, und das ist wohl auch meine Grundeinstellung.
    von Boehm Gibt es Punkte, in denen Sie etwas pessimistischer sind?
    Loriot Pessimistisch bin ich in Bezug auf das Wort Fortschritt. Auch das ist für mich ein schaudererregendes Wort. Was sich mir in meinem Leben als Fortschritt präsentiert hat, hat sich eigentlich immer
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