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Bitte sagen Sie jetzt nichts

Bitte sagen Sie jetzt nichts

Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts
Autoren: Loriot
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mache. Ich glaube, dass das falsch gesehen ist. Ich packe bestimmte Bosheiten so ein, dass der Betreffende, der es fressen muss, nicht merkt, was er heruntergeschluckt hat, und es ihm erst später klar wird, wenn er es im Magen hat. Das ist der ganze Trick dabei.
    von Boehm Die Verpackung ist wichtig, damit die Leute nicht gleich den Mund zumachen und sagen: Das schmeckt mir nicht.
    Loriot Genau. Und viele, die Satire machen, machen sie in sehr aggressiver Form, was ich durchaus akzeptiere oder respektiere. Ich halte es aber für gefährlich, weil die, die es angehen soll, die, die zuhören sollen, die Klappe zumachen. Und nicht mehr mitmachen. Dann entsteht eine Satire, die immer nur von denen gehört wird, die ohnehin auch dieser Ansicht sind und die gar nicht angegriffen werden sollen. Und das ist falsch. Man muss die Aufnahmebereitschaft erhalten. Das habe ich versucht. Und ertrage darum mit Fassung den Vorwurf, ich sei zu freundlich. Jedoch glaube ich, dass das, was ich über das Zusammenleben der Menschen bisher gezeichnet oder gesagt habe, zum Beispiel in Bezug auf Ehe und das Zusammenleben der Geschlechter, negativer gar nicht geschildert werden kann. Dass es komisch ist, macht es nicht besser. Nur genießbarer. Mein Hauptthema war immer die mangelnde Kommunikationsfähigkeit. Das Aneinandervorbeireden der Menschen, die bestimmte Dinge miteinander bereden wollen und trotzdem auf ein falsches Gleis geraten. Also der Mann, der seine Frau fragt: Liebling, wann gibt es Essen? Und sie sagt: Mein Gott, ich kann doch nicht hexen. In dieser Antwort liegt bereits die Keimzelle zu einem stundenlangen Missverständnis, wenn nicht zu einem lebenslangen Zerwürfnis.
    von Boehm Und wie sehen Sie die Gesellschaft? Das ist ja übertragbar: die Ehe als Gemeinschaft.
    Loriot Ich glaube, dass dieser Mangel an Kommunikationsbereitschaft im Kleinen beginnt, und darum interessiert mich nicht die hohe Politik, sondern die kleine Urzelle, aus der alles entsteht. Dieses Missverständnis, dass die Ehefrau, die gefragt wird, wann es Essen gibt, sofort glaubt, sie werde angegriffen, und darum mit einem Gegenschlag antwortet. Obwohl sie nur gefragt wurde, wann. Aber sie ahnt natürlich, dass dahinter die nächste Frage steckt: Warum nicht und wieso nicht?
    Dieser Mechanismus ist übertragbar auf die große Gesellschaft und auf die Politik. Und ich sehe wie jeder andere heutzutage, der sich vernünftig umschaut, die Gefahr dieser mangelnden Kommunikation. Eben auch zwischen den großen Mächten, nicht nur zwischen Mann und Frau.
    von Boehm Verlassen Sie sich eher auf den Intellekt als auf die Intuition, wenn Sie eine Idee haben und die dann umsetzen?
    Loriot Intuition ist schön und gut. Sie ist aber ungeeignet, um etwas humoristisch anzugehen oder Satire zu machen. Intuition ist zu unsicher.
    von Boehm Zu unsicher heißt?
    Loriot Intuition ist erforderlich, sagen wir, um sich einem Thema zu nähern. Um es dann auszuarbeiten aber braucht man Intellekt. Um auf die richtige Spur zu kommen die Intuition.
    von Boehm Es gibt viele Zeichner, die einfach ihrer Eingebung folgen. Die zwar auch beobachten, aber dann schnell zur Feder greifen und zeichnen und eben nicht bis zu einer Pointe kommen.
    Loriot Ich habe nie gezeichnet, weil mir etwas aufgefallen ist. Ich habe mir ein Thema genommen und habe dann die Schublade aufgezogen, die dafür notwendig war, und habe die Beobachtung oder das, was ich bis dahin erlebt habe, benutzt. Aber ich bin nie wie Harun al-Raschid durch die Straßen gegangen, um zu beobachten, ob nicht irgendwo etwas Komisches passiert. Jede Art der Komik, die man wiedergeben will, ist eine Konstruktion und geht über den Intellekt.
    von Boehm Sie haben sich gleich zu Beginn Ihrer Karriere sehr unbeliebt gemacht. Mit einer Serie, in der Sie eine verkehrte Welt gezeichnet haben. Hunde, die sich Menschen halten, Menschen ausführen, die das Bein heben und Wasser lassen am Baum. Das gab böses Blut damals. Wann war das?
    Loriot Das war ungefähr 1955. Damals war man noch sehr überzeugt von der Sonderstellung des Menschen, und besonders aus intellektuellen Kreisen - sogar aus Kreisen der Kirche - hat man mir ernste Vorwürfe gemacht, dass der Mensch doch immerhin die Krone der Schöpfung sei und nicht der Hund. Wie ich denn darauf gekommen sei - man war doch sehr inhibiert über den Verlauf dieser humoristischen Entwicklung, und eine bekannte Illustrierte hat die Reihe damals rasch eingestellt, weil die Briefe sich häuften. Es war
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