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Bitte sagen Sie jetzt nichts

Bitte sagen Sie jetzt nichts

Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts
Autoren: Loriot
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zu denken hätten. Das ist vielleicht nicht ganz richtig. Aber so wie jede Mutter ein besonders enges Verhältnis zu einem kranken Kind hat, so habe ich ein besonders enges Verhältnis zu dem zerstörten Preußen, das es nicht mehr gibt. Vielleicht gerade deswegen, weil es nicht mehr existiert und weil unsere Familie und meine ganze Vergangenheit auf dem Leben in Preußen und der Geschichte Preußens beruht - ob sie nun positiv oder negativ gewesen ist. Es bedeutet mir schon was, ja.
    von Boehm Sie sind 1923 in Brandenburg geboren, das in der heutigen ddr liegt. Letztes Jahr waren Sie dort - nach 50 Jahren haben Sie Brandenburg wiedergesehen.
    Loriot Ja.
    von Boehm Hat Ihnen das etwas bedeutet, oder lag das schon so weit zurück, dass es für Sie nur eine neue Erfahrung war, in die ddr zu kommen?
    Loriot Es war, um es vorwegzunehmen, vielleicht das eindrucksvollste Erlebnis meines Lebens. Wenn ich einmal davon absehe, dass das Dirigieren der Berliner Philharmoniker sehr ungewöhnlich gewesen ist. Aber dieses Erlebnis traf irgendwo ganz tief. Gerade weil ich Brandenburg als kleines Kind verlassen habe, hatte es immer ein bisschen das Flair des Märchenhaften. Und nun in dieses Märchen hineinzugehen, was man nur auf alten Fotos mit meiner damals noch sehr jungen Mutter gesehen hat, da nun zu sein, wo ich geboren bin und wo meine Eltern jung waren ... Na, als ich diese Welt zum ersten Mal betrat, war es ein ganz bewegendes Erlebnis, zumal die Einwohner Brandenburgs und alle Menschen, mit denen ich dort zu tun hatte, mir in ungeheuer warmer Art entgegenkamen ... Es gab eine Ausstellung meiner Zeichnungen im Dom-Museum von Brandenburg, und als ich zur Eröffnung dieser Ausstellung kam - es waren 300 Leute eingeladen, und der Dom war mit 1500 Menschen gerammelt voll - als ich in den Dom kam, kamen Kinder mit kleinen Blumensträußchen und weinende Menschen, die mich umarmten - das war fast zu viel. Ich stand dann auf der Empore dort oben, und begrüßte diese - ich kann es nicht anders sagen - jubelnde Menschenmenge. Da wurde mir schon sehr merkwürdig ums Herz. Und dann sah ich auch noch die Leute um mich herum sitzen, friedlich zusammen in der ersten Reihe - den Obersten Funktionär für diese Dinge neben dem deutschen Ständigen Vertreter und dem Landesbischof der ddr, und all diese Menschen, die untereinander oder von hier nach drüben oft ein gespanntes Verhältnis haben. Und die saßen alle so einträchtig da, und es war nicht zu leugnen, dass ich der Anlass dafür war. Das griff mir schon sehr ans Herz.
    von Boehm In Brandenburg und in der ganzen ddr sind Sie offensichtlich sehr populär. Ist das auf das Westfernsehen zurückzuführen?
    Loriot Natürlich.
    von Boehm Oder erscheinen Bücher von Ihnen auch in der ddr?
    Loriot Zum einen ist es das Fernsehen, aber zum anderen hat das dortige Kultusministerium auch die Genehmigung gegeben, dass meine Bücher dort gedruckt und veröffentlicht werden.
    von Boehm Nun denkt man immer, in der ddr gibt es so etwas wie Humor gar nicht - unter den Funktionären ...
    Loriot Aber nein, das stimmt nicht, das ist natürlich Quatsch.
    von Boehm Es ist ein Klischee, das bei uns im Umlauf ist.
    Loriot Ein absurdes Klischee, es wird in der ddr genauso, wenn nicht mehr gelacht. Und dezidierter, genauer, denn gerade in Staaten, die diese absolute Freiheit, die wir hier haben, nicht kennen, sondern dieses auf gewisse Art geformte Leben bevorzugen - drücken wir es mal so aus -, in denen blüht natürlich der Humor ganz anders als bei uns und sehr viel genauer. Das ist keine Frage.
    Von Boehm Kann man in der ddr besonders auch über Ihre Dinge lachen, weil Sie ja den Kleinbürger beschreiben und weil die Leute dort Humor genug haben, sich selbst zu erkennen?
    Loriot Ich glaube, dass es da keinen Unterschied gibt. Bei uns ist der Kleinbürger nicht anders als drüben der Kleinbürger und der Großbürger auch nicht anders als dort. Uns unterscheiden gewisse Möglichkeiten im Lebensluxus, das ist klar. Aber der Sinn für das Absurde des Miteinanders ist hier wie dort eigentlich derselbe. Das ist kein Unterschied.
    von Boehm Herr von Bülow, man beneidet Leute wie Sie oft, weil man das Gefühl hat, dass Sie es sich eigentlich leisten können, nie so richtig erwachsen zu werden, dass Sie zumindest wichtige Impulse oder ganze Bereiche aus der Kindheit einfach mitnehmen in das sogenannte Erwachsenwerden. Ist das bei Ihnen auch so?
    Loriot Ja, ich glaube, dass man nur dann wirklichen Spaß am
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