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Bitte sagen Sie jetzt nichts

Bitte sagen Sie jetzt nichts

Titel: Bitte sagen Sie jetzt nichts
Autoren: Loriot
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sage: Nur um meine Eitelkeit zu befriedigen oder meine Lust, mal mit Sängern auf der Bühne zu stehen und mit denen Wagner zu machen, sollte ich nicht das Opernhaus, die Sänger und mich der Gefahr eines Flops aussetzen.
    Heinrich-Jost Witz, Ironie gehören nicht gerade zu den selbstverständlichen Tugenden einer Operninszenierung. Braucht die deutsche Opernbühne deshalb Loriot?
    Loriot Es gibt Operninszenierungen, in denen sehr viel Komisches ist, jetzt etwa von Zadek oder Kupfer. Die haben es nur insofern einfacher, als man, erstens, von ihnen diese Komik nicht erwartet und man dadurch angenehm überrascht wird. Zweitens nehmen sie sich sogenannte seriöse Opern, um dort Komik einzubauen. Ich hätte es sicher leichter gehabt, wenn ich, sagen wir, den Fliegenden Holländer ausgesucht und hie und da etwas Absurdes eingefügt hätte, das wirkt viel stärker. Nur, das war nicht meine Absicht. Ich wollte die ganze Atmosphäre einer Oper ein wenig ins Parodistische ziehen - ganz vorsichtig, ohne die Oper und die Sänger zu denunzieren, denn ich liebe Oper und Sänger - und neben der Parodie auch die Ironie einsetzen. Das geht jedoch nur, wenn das Umfeld seriös bleibt, nur ab und zu ein kleiner solcher Schlenker kommt. Ich hätte nichts inszenieren können, bei dem ich die Komik von den Sängern weg in den Hintergrund verlegt hätte. Es hätte sich ja angeboten, dass ich irgendwelchen Unsinn auf der Bühne treibe, während vorn die Sänger Flotow singen. Dabei wäre ich mir unfair vorgekommen. Denn dann hätte ich meinen eigenen Stil auf Kosten der Darsteller hineingebracht. Die hätten sich anstrengen können, so viel sie wollten, die Leute hätten gelacht über das, was im Hintergrund passiert. Ich finde, alle Komik, die ich hineinarbeiten kann, muss sich aus der Handlung erklären. Sie muss möglich sein für die Situation, und sie darf nicht gleich erwartet werden.
    Heinrich-Jost Warum tun sich die Deutschen so schwer mit dem Leichten?
    Loriot In Deutschland sind die Komik und das Lachen genauso willkommen wie in jedem anderen Land, nur ihre Bewertung ist anders. In England und den USA wird das Entertainment genauso ernst genommen, ist ebenso wichtig, schwerwiegend, so bedeutend wie hierzulande das sogenannte Seriöse. Nur Ernst ist bei uns bedeutend, das andere ist schön und gut und auch nötig, aber es unterliegt einer anderen Wertskala. Das hat zur Folge, dass viele Schriftsteller zum Beispiel keine Komödien schreiben. Sie werden vielleicht satirisch, aber um Himmels willen nicht nur komisch. Oder wenn eine Bühneninszenierung, ein Film lediglich auf Unterhaltung zielen, bedeutet das zunächst eine starke Einschränkung in der Bewertung. Sie dürfen nicht nur unterhalten, sie müssen irgendeine Moral haben. Das ist schade. Es gehört eine gewisse Form des Mutes dazu, zu sagen, ich will in diesem Augenblick »nur« unterhalten.
    Heinrich-Jost Darf denn bei uns über Kunst nicht gelacht werden?
    Loriot Ich glaube, das ist nicht der Fall, nein. Selbstverständlich dürfte man das, aber man lacht nicht über Kunst. Da die Deutschen diesen Unterschied machen zwischen Ernstem und Unterhaltendem, kommen sie nicht darauf, bei einer abstrakten Zeichnung von Paul Klee zu lachen, selbst wenn darunter steht: »Dampfer fährt am Botanischen Garten vorbei«. Es ist nicht so, dass man nicht darüber lachen will. Wir sind es einfach nicht gewöhnt, wir haben diese Tradition nicht. Sie ist uns abhanden gekommen, weil wir in unserer Geschichte immer wieder furchtbar eins auf den Deckel gekriegt und das auch noch selbst verschuldet haben. Die ernsthafte Betrachtung des Komischen, das Einbauen des Komischen in unsere Welt, bedarf einer gewissen Sicherheit im Umgang mit sich selber. Wir haben zu viel Negatives mit uns erlebt, als dass wir es uns leisteten, uns ab und zu nicht mehr ernst zu nehmen.
    Heinrich-Jost Sie haben kürzlich erklärt, Unterhaltung solle konzentrieren, nicht zerstreuen?
    Loriot Ja, ich glaube, dass Unterhaltung, richtig verstanden, nicht bedeutet, den Menschen die Zeit zu vertreiben. Sie sollen sich vielmehr ihrer Zeit bewusst werden. Zerstreuung ist mangelnde Konzentration, und gut gemachte Unterhaltung konzentriert doch wie nichts anderes, bannt die Leute. Wenn sie etwas Gutes gesehen haben, vergessen sie es möglicherweise nicht mehr.
    Heinrich-Jost In einer Operngeschichte wird Friedrich von Flotow charakterisiert als eine Mischung aus »ostelbischem Edelmann und pariserisch fühlendem Künstler«.
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