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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02
Autoren: Karl Bleibtreu
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haben.«
    »Der fremde Herr mit den Generalsepauletten, den ich herzuführen die Ehre hatte,« rapportierte Leutnant Usler vom Examinierkorps, »scheint ohnehin nicht recht bei Troste und ist jetzt ganz rappelig. Er hat sich bei unseren Vorposten festgekneipt, dort sei es so gemütlich, er wolle bei Kameraden bleiben, nicht von dem listigen Satan Bismarck sich die Würmer aus der Nase holen lassen. Als wir ihn wieder in die Kutsche packten, drohte er mit der Faust und schwadronierte.«
    »Ist er betrunken, werde ich ihn an die frische Luft befördern, doch ein bißchen Bezechtheit kommt in den besten Familien vor«, entschuldigte Otto mit kameradschaftlichem Mitgefühl. General Beaufort d'Hautpoul pflanzte sich sogleich kriegerisch vor ihm auf: »Ich erkläre, ich bin wider Willen hier, Befehlen gehorsam. Ich möchte lieber mit Preußen Schüsse statt Worte wechseln.« Unter dem kalten Blick des Riesen wurde er anständiger: »Ich schätze mich glücklich, den großen Grafen Bismarck zu sprechen und General Moltke wiederzusehen, den ich einst auf Militärmission in der Türkei traf.«
    Gereizt durch die Unziemlichkeit des Untergebenen, den Beginn der Unterredung an sich zu reißen, unterbrach Minister Favre den Geschwätzigen: »Wir haben viel zu tun und möchten die Verhandlung gleich eröffnen.«
    »Bezüglich Waffenstillstand bin ich inkompetent. Der König befahl Moltke mittags zu sich, er ist vor zwei Stunden nicht hier, hoffentlich teilen Sie einen Imbiß mit mir.«
    Hautpoul fühlte sich zu jeder Schandtat fähig, sogar dem Preußen um den Hals zu fallen, zum Dejeunieren war er stets bereit.
    Die französischen Abgesandten setzten sich beim Sieger zu Tische. General d'Hautpoul schnitt Grimassen, als könne er den Anblick nicht ertragen. Seine Gesichtsverzerrung drückte pantomimisch aus, daß er um zehn Jahre plötzlich gealtert sein wolle, seine rotunterlaufenen Augen machten darauf gefaßt, daß ihm heiße Tränen in sie treten würden, wenn ein Elender es wage, einen Zoll des geheiligten altfranzösischen Rheinbodens zu beanspruchen. Schweigend saß er da und rührte keinen Bissen an, um anzudeuten, daß ihm die Kehle zugeschnürt sei. Dagegen trank er sich eins und fluchte dazwischen wie ein Landsknecht. »Ich, französischer General ...« stieß er hervor und schwieg. »Ist Ihnen nicht wohl, mein General?« erkundigte sich der Kanzler und bemühte sich um ihn, denn er empfand Mitgefühl mit dem offenbar Leidenden trotz dessen pathetischer Übertreibung. Doch auf die höflichste Rücksicht wußte der Franzose keine würdigere Antwort als schroffe Einsilbigkeit und mürrische Gebärden. Auch als ihm, einem passionierten Raucher, sein Wirt zum Kaffee eine echte Regalia vorsetzte, besänftigte ihn dies wenig. Soeben hörte er, wie zwei anwesende preußische Leutnants seinem Adjutanten Calvel darlegten, daß in der Schlacht am Valérien nur fünfundvierzigtausend Preußen fochten, und dann Graf Hatzfeld und die Leutnants mit Calvel freundlich anstießen. Da brach er ohne jede Veranlassung los, sein rotes versoffenes Antlitz heroisch vorstreckend:
    »Sie können von Glück sagen, daß wir hierher kommen, um zu verhandeln, denn meine Moblots und Nationalgarden sind heut echte Soldaten geworden, und ginge es nach meinem Sinn, würden Sie hier nicht so ruhig dinieren, sondern samt Ihrem Diner weit genug entfernt werden.«
    Ein Engel flog durchs Zimmer, und wenn Hérisson nachher die schöne Phrase vom Engel des Patriotismus beschwor, so nannte es der Kanzler richtiger den Genius französischer Ungezogenheit ohne Erziehung und Lebensart, Hautpoul war aufgesprungen und trommelte aufgeregt mit zitternden Fingern auf die Fensterscheiben. Otto hob die Tafel auf und warf über die Achsel hin: »Beabsichtigen Sie, den Herrn wieder mitzubringen, so heißt das so viel, als die Verhandlung abbrechen.«
    »Ich bitte sehr um Entschuldigung«, stammelte Favre. »Der General ist seiner schmerzlichen Pflicht nicht gewachsen. Ich werde einen anderen militärischen Bevollmächtigten auswählen.« –
    Auf der Bildfläche erschien schon lange ein Bekannter aus alter Zeit, der jetzige Geheimrat im Staatsministerium, ehemaliger Kreuzzeitungs-Wagener, dem diplomatischen Generalstab eingereiht. »Sie werden heut den armen Jules bei mir zu Tische sehen. Er hat einen vortrefflichen Appetit, was seine Redseligkeit beeinträchtigt, und bevorzugt jetzt eine hochdiplomatische Schweigetaktik.« Ottos boshafter Humor gefiel sich darin, wenn
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