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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02
Autoren: Karl Bleibtreu
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indem er abwinkte, sobald man nach Festsetzung der Demarkationslinie für den Waffenstillstand und Kapitulationsbedingungen auf den Frieden selber kam: »Zu spät! Die Bonapartisten waren vor Ihnen hier!«
    Zitternd vor Angst stammelte Favre: »Ist wirklich das Tor für Friedensschluß mit der republikanischen Regierung geschlossen?«
    »Nein, nicht eigentlich so, doch wir sind entschlossen, mit jeder meistbietenden Partei abzuschließen. Wenn Sie uns nicht das Nötige zugestehen, so haben wir zweihunderttausend gute kaiserliche Troupiers in deutschen Festungen, die noch ganz und gar zum Kaiser Napoleon halten.«
    Der Wink genügte. Nur darin blieb Favre fest. »Bestehen Sie auf Besetzung von Paris, ist die Verhandlung abgebrochen.« Er wußte, daß der Pöbel ihn dann zerreißen würde. Auf Vermittelung des Kanzlers, dessen Sanftheit in Sprache und Haltung der arme Jules nicht genug rühmen konnte, trotz der »grausamen Härte« der Forderungen, mußte die militärische Strenge sich hier mäßigen. Nur die Hauptforts sollten übergeben und die Armee von Paris kriegsgefangen werden. »Was die Kontribution betrifft, so hieße es eine so reiche Stadt beleidigen, wenn ich weniger als eine Milliarde forderte.« Favre machte ein Gesicht, als habe er schweres Zahnweh, und verabschiedete sich wortlos, wobei ihn der höfliche Kanzler die Treppe hinabbegleitete. Auf der untersten Stufe einigten sie sich auf nur 200 Millionen, wie er von Anfang an erwartete. Unterzeichnung sollte auf einen Freitag fallen, er verschob es auf den nächsten Tag. »Ich habe nun mal den Aberglauben ... woher, weiß ich nicht, doch das klebt wie Pech. Für andere mag das komisch sein, für mich trifft das ernsthaft zu, Freitag ist mein Unglückstag, an dem ich nichts unternehme.« Er teilte den Aberglauben mit Byron, der erst ganz zuletzt von Genua nach Griechenland segelte: heut sei Freitag, doch da er ohnehin nicht lebend zurückkehre, sei es gleichgültig. Richtig war es seine letzte Reise.
    Als der Sieger von Favre Abschied nahm, ihn zu seiner Kutsche begleitend, die den Unglücklichen wieder nach Paris entführte, meinte er: »Nun sind wir so weit, daß ein Bruch nicht mehr möglich, also wollen wir heut nacht das Feuer einstellen.«
    »Ich wollte schon darum bitten«, versetzte Favre mit wehmütigem Pathos. »Doch da ich das besiegte Frankreich vertrete, wollte ich um keine Gunst betteln. Ich nehme Ihr Anerbieten an, den ersten Trost in unserem Elend. Wollen Sie mich aber besonders verpflichten, dann lassen Sie uns den letzten Schuß abfeuern.«
    »Um das letzte Wort zu behalten?« lachte Otto gutmütig. »Einverstanden.« Mitternacht schlug. Noch ein einzelner Kanonenschuß dröhnte über die eisig glitzernde schneegeschwollene Seine. Das Echo erstarb, tiefe Stille, die erste seit langen Wochen. Der Krieg war aus.
    *
    Und der Krieg um den Frieden begann mit einem stärkeren Gegner als Favre. Frankreich hatte den greisen Thiers als Haupt der Republik gewählt, er erschien mit Favre vor dem Furchtbaren, den er einst als liebenswürdigen Charmeur gekannt. »Ich fühle für ihn,« murmelte Otto, »doch das kann ihm nichts helfen.« »Elsaß-Lothringen, Belfort, sechs Milliarden! Exorbitant!« Der kleine Monsieur Thiers konnte an solche Unmenschlichkeit nicht glauben.
    »Sie würden das Doppelte an Land und Geld fordern, wenn Sie uns so zermalmt hätten wie wir Sie. Landgewinn ist das Recht jedes Siegers, in diesem Fall um so mehr, als es sich um unsern alten und rechtswidrig unterbrochenen Besitz handelt.«
    Thiers machte eine Bewegung. »Sie als Historiker wissen das am besten und dürfen nicht Unwissenheit vorschützen wie Ihre Landsleute.«
    »Aber sechs Milliarden!« seufzte Favre. »Nie kann Frankreich so viel bezahlen.«
    »Im Gegenteil, viele unserer besten Sachverständigen berechnen unseren Kriegsschaden auf zwölf bis fünfzehn Milliarden. Das müßten wir als Ersatz fordern.«
    »Aber wenn wir nicht können!«
    »Dazu werde ich Sie mit zwei Autoritäten bekannt machen, Kommerzienrat Bleichröder und Graf Henckel-Donnersmarck, beides bedeutende Finanziers. Diese werden Ihnen vorrechnen, daß Frankreich gut bezahlen kann. Bah, es ist ja nur ein Drittel der englischen Nationalschuld seit den napoleonischen Kriegen, wie sie heute steht.«
    Er sah prachtvoll aus in seiner weißen Uniform, die seine gewölbte Brust und breiten Schultern zu sprengen schienen, ein sinnbildlicher Vertreter der blonden erobernden Rasse. Der lange hagere Favre
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