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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen
Autoren: Charlie Huston
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ähnlich wie das Vyrus, nur dass es die Leute in Hirnfresser verwandelt. Zombies. Kommt aber nur selten vor. Tja, das war’s, glaube ich. Sonst fällt mir nichts mehr ein. Normalerweise rede ich auch nicht so viel.
    Ich blase Rauch an die Decke.
    – Irgendwas hab ich doch vergessen. Vyrus. Clans. Zombies. Nicht in die Sonne gehen. Nicht anschießen lassen. Bisheriges Leben aufgeben. Blut trinken, um zu überleben.
    Ich schüttle den Kopf.
    – Nein. Das war so ziemlich alles.
    Ich schnippe den Zigarettenstummel weg.
    – Die Frage ist, packst du das? Ich hab dir erklärt, wie’s läuft. Glaubst du, du hast das Zeug dazu?
    Sie wischt sich die Tränen von den schmutzigen Wangen, steckt einen Finger in den Mund und betastet ihre heilende Zunge.
    Sie schweigt.
    Ich nicke und deute auf das verbarrikadierte Fenster im Erdgeschoss und den Nachthimmel darüber.
    – Guck mal nach oben.
    Sie guckt nach oben.
    Ich ziehe meine Waffe und verbrauche meine letzten drei Kugeln.
     
    Als ich die Straße Richtung Norden hinaufgehe, dröhnen meine Ohren noch von den Schüssen, die ich abgefeuert habe.
    Ich bin ein guter Schütze. Aber da ich aus der Hüfte schießen musste, wollte ich nicht, dass die erste Kugel ihr Hirn verfehlt, und sie noch ein paar Sekunden länger Zeit hatte, um über alles nachzudenken. Oder etwas zu spüren. Da war es besser, ihr alle drei Patronen sofort ins Gesicht zu jagen und nichts dem Zufall zu überlassen.
    Sie war nicht dumm; ihr war klar, dass sie es niemals allein geschafft hätte.
    Wer mich genauer kennt, könnte vermuten, dass ich versuchte, einen Fehler aus der Vergangenheit wiedergutzumachen. Den Schlamassel, den ich auf der Insel hinterlassen habe, wieder geradezubiegen. Abbitte zu leisten für einen Moment, in dem ich zu langsam war und dadurch jemanden verloren habe.
    Aber hier kennt mich niemand genauer.
    Genau das ist der Grund, warum ich in der Bronx bin. Sonst fällt mir beim besten Willen keiner ein.
     
    Am nördlichen Ende des Joyce Kilmer Parks kommt ein Kombi neben mir zum Stehen, der mit Rost, Grundierung und weißer Farbe gesprenkelt ist und aussieht, als hätte man vor kurzem eine Brandbombe darauf abgeworfen. Im Inneren leuchtet ein Streichholz auf.
    – Sag mal, Joe.
    Ich lege eine Hand auf meine Waffe und bereue, nicht nur zwei Kugeln abgefeuert zu haben.
    Die Streichholzflamme berührt eine Zigarettenspitze zwischen roten Lippen.
    – War das gerade so unangenehm, wie’s ausgesehen hat?
     
    – Hast du gesehen, wer es war?
    – Ja.
    – Und willst du’s mir auch erzählen?
    – Weißt du was über Kids auf Taschenraketen, die hier nach Blut wildern?
    Sie sieht mich an, legt den Kopf schief und sieht wieder weg.
    – Ja, von denen hab ich schon gehört.
    Sie lässt den Arm aus dem offenen Fenster des schrottreifen Kombis hängen und betrachtet die hochaufragende Glasfassade des Bezirksgerichts von Bronx County direkt gegenüber vom Concourse-Plaza-Einkaufszentrum, vor dem sie parkt.
    – Waren die das?
    Jetzt lege ich den Kopf schief.
    – Ob die vier Spastis, die um das Stadion rumgeschwirrt sind, der Tussi die Zunge rausgebissen haben? Hör mal, Esperanza, ich war nicht dabei, aber ich geh mal stark davon aus.
    Sie schnippt ihren Zigarettenstummel aus dem Fenster.
    Ich puste Rauchringe gegen die Windschutzscheibe und sehe zu, wie sie sich auflösen.
    Sie nimmt die Herausforderung an, zündet sich eine frische Pall Mall an und bläst ihrerseits einen Rauchring in die Luft.
    – Bei dieser Frau ohne Zunge hast du ordentlich Radau gemacht. Die Cops sind schon da.
    – Na ja, selbst hier rufen die Leute anscheinend die Polizei, wenn in ihrem Hinterhof rumgeballert wird.
    – Wir sind ja keine Wilden.
    – Hab ich auch nicht behauptet.
    Rauch quillt aus ihren Nasenlöchern.
    – Eine Frau ohne Gesicht erregt Aufsehen.
    – Vielleicht. So viel Aufsehen wie alle anderen Mordopfer heutzutage.
    – Möglicherweise sogar etwas mehr, wenn man dich beobachtet hat. Ein weißer Kerl, der in der Bronx eine Puertoricanerin abknallt. Das könnte für Ärger sorgen. Vielleicht ist sie aufs College gegangen und musste ihre Oma und ihre Schwester versorgen. So was kann weite Kreise ziehen, nach dem Motto: Weiße Männer kommen in die Bronx, um Jagd auf unsere Latina-Schwestern zu machen. Das sorgt für Unruhe, und bevor man sich’s versieht, steht Reverend Sharpton am Tatort und gibt Interviews.
    Ich rupfe einen Stoffstreifen von der zerfetzten Innenverkleidung des Wagendachs.
    – Du
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