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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen
Autoren: Charlie Huston
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ist.
    Aber nicht clever genug, um etwas dagegen zu unternehmen.
    Jenseits des Flusses hatte ich ein richtiges Leben. Oder zumindest etwas, was einem richtigen Leben mehr oder weniger gleichkommt. Ich hatte sogar einen gewissen Ruf in der Welt der normalen Menschen. Die braven Bürger, die keine Ahnung von unserem anderen Leben haben, hielten mich für den örtlichen Mann fürs Grobe. Der Kerl, den du anrufst, wenn der Türsteher deines Clubs wegen bewaffnetem Raubüberfall festgenommen wurde, und du jemanden für die Nachtschicht brauchst. Der Typ, an den du dich wendest, wenn dein Exfreund vier Monate, nachdem du mit ihm Schluss gemacht hast, immer noch in deiner Wohnung hockt. Du zahlst diesem Kerl ein paar Kröten, dafür begleitet er besagten Exfreund vor die Tür. Er stöbert Leute für dich auf, treibt überfällige Wettschulden ein. Er hat natürlich kein Büro, aber wenn du die richtigen Leute kennst, steckt man dir seine Nummer zu mit dem Hinweis, dass das der Typ ist, der vielleicht deine Probleme lösen kann.
    Klar, das ist kein geregelter Job, aber immerhin konnte ich die Arbeitszeit selbst bestimmen. Und das war in Anbetracht der Umstände auch ziemlich wichtig.
    Nebenher habe ich noch Aufträge für die Clans erledigt, immer unter dem Radar natürlich, unauffällig und inoffiziell. Zum Schluss hatte ich sogar einen richtigen Job bei der Society. Aber das ging nicht lange gut. Ich war mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden, und das Beschäftigungsverhältnis wurde in beiderseitigem Einvernehmen beendet. Leider fiel mein Arbeitszeugnis recht negativ aus.
    Lag wahrscheinlich an dem Nagel in der Schlagader. Vielleicht hab ich auch die Kündigungsfrist nicht beachtet. Eins von beiden wird’s gewesen sein.
    Wie dem auch sei. Auf der Insel hatte ich einen gewissen Ruf; und mit einem gewissen Ruf kommt man an Geld, Aufträge und all die anderen Dinge, die man zum Leben benötigt.
    Essen. Ein Dach überm Kopf. Klamotten.
    Blut. Munition. Geld.
    Solches Zeug eben.
    Am schwierigsten ist es, an Blut ranzukommen. Das war schon immer so. Geld kann dabei helfen, trotzdem bleibt es verdammt heikel. Wie zu erwarten, ist es hier oben noch schwieriger. Da es keine Clans gibt, existiert auch kein organisierter Handel, keine Infrastruktur, die es einem Dealer erlauben könnte, den Junkies ihr Blut abzukaufen und einigermaßen den Überblick zu behalten, wie viel im Umlauf ist. Vor dem Bronx-Lebanon, St. Barnabas oder anderen Krankenhäusern warten keine freundlichen Leute, die einem für ein paar Kröten einen Beutel in die Hand drücken.
    Nein, hier heißt es: von der Hand in den Mund.
    Eigentlich ein recht unkompliziertes Leben. Ein Raubtierleben. Keine Arbeit. Kein fester Wohnsitz. Keine Zukunft. Seine Besitztümer trägt man am besten am Leib, da man jederzeit damit rechnen muss, die Beine in die Hand zu nehmen. Die unmittelbaren Bedürfnisse zu erfüllen, ist die einzige und wesentliche Aufgabe.
    Also marschiere ich, mit von Esperanza leicht vernebelten Sinnen, in Richtung Süden. Geradewegs auf eine Sackgasse an der Carroll Place hinter dem Bronx Museum zu, wo ich kürzlich eine wechselnde Belegschaft von jungen Männern beobachtet habe. Sie erhielten Anrufe auf ihren Handys, und kurz darauf fuhren ein paar Autos langsam in die Sackgasse. Es wurden Hände durch Fenster hindurch geschüttelt, und die Autos fuhren wieder davon.
    Blut. Geld. Munition.
    Irgendwie hab ich im Urin, dass der Typ, der mit seinem Handy vor einem Hauseingang hockt, alle diese Dinge im Angebot hat.
    Ein unbebautes Grundstück zwischen der Carroll und der 161 Street – wie praktisch. Intim und abgeschieden, damit mich nichts ablenkt, wenn ich mich an die Arbeit mache.
     
    Ich hätte auf dem Weg ein paar Autos aufbrechen und mir Geld für Zigaretten zusammenkratzen sollen. Nur um mir die Zeit zu vertreiben. Noch besser wäre allerdings gewesen, ich hätte den Punkt Munition von meiner To-do-Liste gestrichen, bevor ich diese ganz spezielle Nummer abzog.
    Aber wer rechnet schon damit, dass der moderne Crackdealer dieser Tage unbewaffnet ist? Nicht, dass ich erwartet hätte, dass seine Patronen in meine Waffe passen. Üblicherweise tragen sie ja die Standard-9mm mit sich herum, die schon seit Jahrzehnten der letzte Schrei ist. Ich dagegen vertraue auf meine etwas angestaubte .38er. Da ich jedoch nicht sonderlich an meiner Waffe hänge, hätte ich sie auch gerne gegen seine getauscht. Insbesondere, weil ich mit meiner vorhin ein Verbrechen begangen
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