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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen
Autoren: Charlie Huston
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habe. Der Plan war, sie bei dem Kerl liegen zu lassen, sobald ich ihn k. o. geschlagen, sein Geld genommen und ihn um ein paar Liter erleichtert hatte. Mit ein bisschen Glück hätte er sie sogar behalten – Mann, der Arsch hat mir wenigstens eine Kanone dagelassen – und wäre damit festgenommen worden. Klar, klingt weit hergeholt, aber einen Versuch wäre es wert gewesen.
    Leider trägt er keine Waffe bei sich.
    Zu dumm.
    Eine Waffe käme mir nämlich gerade recht. Das wütende Wespenbrummen mehrerer Motoren hallt von den Gebäuden auf der Carroll Street wider, und kurz darauf stehe ich in den sich kreuzenden Lichtkegeln von vier Scheinwerfern.
    Die Motoren knattern leise im Leerlauf.
    – Was ist mit dem weißen Mann?
    – Yo, was geht, weißer Mann?
    – Sieht komisch aus, der weiße Mann.
    – Die Jacke gefällt mir.
    – Die Jacke gefällt dir, Nigger?
    – Die Jacke gefällt mir.
    – Ziehst du jetzt Weißenklamotten an?
    – Mir gefällt einfach die Jacke.
    Ich schüttle den Kopf.
    – Die wird dir nicht passen, Kleiner.
    Derjenige, der dem Cop vor dem Stadion die Mütze vom Kopf gerissen hat, schiebt sich den Schirm ebendieser Mütze aus dem Gesicht.
    – Der Weiße kann ja reden.
    Derjenige, der ein Auge auf meine Jacke geworfen hat, fährt mit einem Finger über den dünnen Schnurrbart auf seiner Oberlippe.
    – Keine Angst, weißer Mann. Da wachse ich schon rein.
    Der kleinste von ihnen fährt mit seinem Motorrad unter das Licht der Straßenlaterne. Es ist ein Mädchen.
    Sie lässt eine Kaugummiblase platzen.
    – Was willst du denn mit der bescheuerten Jacke? Die stinkt bestimmt.
    Der letzte der vier, der mit dem Kopftuch in den Farben der Dominikanischen Republik, zieht an einer Newport.
    – Ist sowieso zu warm für ’ne Jacke. Der Typ braucht keine Jacke.
    Schurrbärtchen streckt die Hand aus.
    – Gib mir die Scheißjacke, weißer Mann.
    Der bewusstlose Dealer, der vor meinen Füßen im Dreck liegt, stöhnt auf. Ich wollte ihm gerade das spitze Ende einer Infusionsnadel in den Arm schieben, als die Kids vorbeigefahren kommen und mich einer von ihnen wittert. Woraufhin sie unverzüglich über den Gehweg brettern, zu der dunklen Ecke hinter dem verlassenen Schuppen auf der Rückseite eines unbebauten Grundstücks. Hätte er es nur mit mir zu tun, würde der Dealer relativ unbeschädigt aus der Sache rauskommen. Klar, ich hätte ihm sein Geld abgenommen und das Crack, oder was er sonst noch so dabeihat, damit es wie ein guter alter Raubüberfall aussieht. Bis auf einen leicht schmerzenden Arm und ein gewisses Schwindelgefühl hätte er gar nicht bemerkt, dass ich ihm Blut abgezapft habe.
    Jetzt sieht es allerdings so aus, als wären noch ein paar Mäuler mehr zu stopfen.
    Als ich zu ihm runterblicke, öffnet er blinzelnd die Augen.
    – Vertrau mir, Kumpel. Was jetzt kommt, willst du gar nicht sehen.
    Ich trete ihm gegen den Kopf, und er legt sich wieder schlafen.
    – Ich hab gesagt, du sollst mir die Scheißjacke geben, nicht dem Nigger gegen die Rübe stiefeln.
    Ich blicke zu ihm auf.
    – Ich sag doch, die ist dir zu groß.
    Er rollt mit den Schultern.
    – Und ich sag, da wachse ich schon rein.
    Ich stecke die Hände in die Jackentaschen, wo sich Revolver, Klappmesser, Blutbeutel samt Nadeln, Dietrich, Zippo, die letzten paar Dollarscheine und etwas Kleingeld befinden. Also die Sachen, die ich nur ungern zurücklasse, wenn ich schnell abhauen muss.
    Wertvolle Besitztümer?
    Wohl kaum.
    Bis auf die Jacke selbst.
    Die war ein Geschenk.
    Ich nehme die Hände wieder aus den Taschen. In der einen halte ich das Klappmesser, in der anderen den leeren Revolver.
    – Wenn du die Jacke auch nur anfasst, wirst du überhaupt nicht mehr wachsen.
    Die Kaugummikauerin zieht aus dem Bund ihrer hautengen, hüfthohen Hose eine Knarre, die so groß ist wie ihr Kopf, und schießt mir in den Bauch. Der deutliche Vorteil, den der Besitz echter Kugeln mit sich bringt, ist, dass man auf Leute schießen kann, anstatt ihnen nur zu drohen.
    Ich falle auf den Dealer, blute ihn voll und richte meine Waffe auf die vier Kids, die ihre Motorräder zu mir rüberschieben und mich anstarren. Schnurrbärtchen greift nach dem Revolver, und ich drücke ein paarmal ab. Vielleicht hab ich mich ja irgendwie verrechnet, und es ist doch noch eine Kugel drin. Nein, Pech gehabt.
    Er nimmt mir die Waffe ab und betrachtet sie.
    – Was für ein Scheißteil.
    Er schleudert sie über den Zaun am Ende des Grundstücks, und sie landet im
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