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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen
Autoren: Charlie Huston
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starrten die verstümmelte Katze einfach nur an. Ich trat ihr ins Genick, und sie hörte auf, sich zu bewegen. Die Leute glotzten mich an, als wäre ich an allem schuld.
    Sie haben sie auf dem Pflaster liegen lassen. Blut quillt zwischen ihren Lippen hervor, künstliche rote Fingernägel kratzen über den Boden. Sie sieht zu mir auf, als mein Schatten auf sie fällt, keucht und versucht zu sprechen.
    – nchch gwaltgt.
    Ich brauche einen Augenblick, dann kapiere ich.
    Sie hat Recht. Sie haben sie nicht vergewaltigt. Was sie anscheinend nicht so recht verstehen kann, denn immerhin hat ihr die Gang tollwütiger Kids soeben die Zunge rausgebissen.
    Ihre Augen rollen noch einmal herum, diesmal in den Hinterkopf, und sie wird ohnmächtig.
    Ich sehe mich um. In manchen Wohnungen brennt Licht. Neben mir steht eine ganze Batterie von Müllcontainern. Eine Kette führt durch ihre Griffe. Es ist eine jener Seitenstraßen, wo die Leute sogar Müllcontainer klauen. Am oberen Ende der Treppe entdecke ich eine kleine dunkle Nische, von der eine Tür ins verlassene Untergeschoss des Gebäudes führt.
    Ich hebe die Frau auf, werfe sie mir über die Schulter, gehe die Treppe hoch und in die Nische. Die Tür ist aus Stahl, aber das Schloss ist von der billigen Sorte. Als ich es zum zweiten Mal mit der Schulter ramme, springt es auf. Ich trage sie hinein und lege sie in eine Ecke.
    Sie hat aufgehört zu bluten. Und zwar aus demselben Grund, aus dem ich darauf verzichte, ihr Blut zu trinken. Die Kids haben sie infiziert. Möglicherweise absichtlich, möglicherweise war es ein Unfall. Wenn man jemandem die Zunge abbeißt, besteht durchaus die Möglichkeit, dass man dabei in die eigenen Lippen gebissen wird. Egal, wie es abgelaufen ist – das Blut der Kids befindet sich in ihrem Kreislauf.
    Was sie anscheinend gut verträgt.
    Besser gesagt, irgendetwas, das in ihr lauert, verträgt es gut.
    Oder so ähnlich.
    Hätte es nicht funktioniert, also, hätte sie nicht zu jenen Menschen gehört, die das Vyrus verkraften, läge sie jetzt tot in einer Pfütze aus weißem Speichel. Tatsache ist jedoch, dass sich die Wunde in ihrem Mund und die anderen Kratzer und Schrammen, die sie sich im Handgemenge zugezogen hat, bereits schließen. Das Vyrus macht sich sofort ans Werk. Und ich mach’s mir erst mal gemütlich.
    Ich könnte sie töten.
    Ich sollte sie töten.
    Wenn ich es nicht tue, wird sie wegen ihres neuen Zustands entweder Alarm schlagen und allen anderen damit das Leben schwermachen; oder sie akzeptiert ihn und ist damit nur ein weiteres Maul, das gestopft werden muss. Was wiederum den Wettbewerb für alle anderen verschärft. Nicht, dass mich die anderen interessieren. Trotzdem steht fest, dass es keine Zukunft für sie gibt, die mein Leben nicht auf die eine oder andere Weise schwieriger machen würde. Grund genug, sie sofort zu töten.
    Was ich aber nicht tue.
    Vor langer Zeit hatte mal jemand die Gelegenheit, dasselbe mit mir zu machen, und hat es sich ebenfalls anders überlegt. Ich rede nicht mehr mit diesem Jemand – nicht, seit ich ihm einen Nagel in die Oberschenkelvene gerammt habe –, aber das war damals ein feiner Zug von ihm.
    Ich kann zumindest versuchen, mich ähnlich anständig zu verhalten.
    Indem ich ihr eine Chance gebe.
    Sie eine eigene Entscheidung treffen lasse.
    Ich rauche und warte. Warte, bis das Vyrus vollständig die Kontrolle übernommen hat. Dann können wir uns unterhalten.
    Himmel, ich hoffe, sie kriegt keinen Schreikrampf, wenn ich ihr das alles erzähle.
     
    – Pass auf, der Rest deines Lebens läuft folgendermaßen ab: Du bist im Arsch. Du wirst deine Familie nie wiedersehen. Genauso wenig wie deine Freunde. Deinen Job kannst du vergessen, ebenso wie die Wohnung, in der du bisher gehaust hast. Wenn du jemanden auf der Straße siehst, den du kennst, gehst du in die andere Richtung. Du wirst vielleicht das Bedürfnis verspüren, dich mit deinen Leuten zu unterhalten. Um ihnen alles zu erklären. Dass du krank bist. Dass es nicht so ist, wie sie denken. Dass es ein Virus ist. Ein Organismus, der in dir lebt und der dich kränker macht, als sie es sich vorstellen können. Aber leider gibt es nur einen Weg, die Symptome zu behandeln – nämlich, das Vyrus zu füttern. Und es gibt nur eine Möglichkeit, es zu füttern. Mit Blut. Menschenblut. Was glaubst du, wird passieren, wenn du ihnen das erzählst? Sie werden genauso blöd aus der Wäsche gucken wie du jetzt gerade. Aber weißt du, wo der Unterschied
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