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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug
Autoren: Gudenkauf
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die Wahrheit gesagt hatte. »Ich werde herausfinden, was los ist, und melde mich dann wieder«, sagte er schwach und legte auf.
    »Ihr bleibt hier sitzen«, befahl er Beth und Natalie. »Eure Grandma wird bald hier sein.« Über den klebrigen Fußboden ging er Officer Braun entgegen. In der Mitte des Restaurants trafen sie sich. Will strich die Falten aus der Zeitung und zeigte sie dem Polizisten.
    »Das ist der Mann«, sagte er mit rauer Stimme und zeigte auf das Foto.
    »Wer ist das?« Braun runzelte die Stirn.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Will. »Aber ich werde es herausfinden.«

HOLLY
    Ich versuche, mich aus dem Nebel zu kämpfen, den das Morphium in meinem Kopf verursacht, das durch den Tropf in meine Adern fließt. »Pst«, höre ich die Schwester sagen. »Beruhigen Sie sich. Wenn Sie nicht vorsichtig sind, werden sich Ihre Transplantate lösen. Sie sind schon so weit gekommen, Holly. Sie wollen das doch nicht alles noch einmal durchmachen müssen, oder?«
    Ich schlage schwach nach ihrer Hand, versuche, sie von mir wegzuschieben, aus dem Bett aufzustehen, zu meinen Kindern zu gelangen. Ich hätte sie niemals von mir wegschicken dürfen. Ich will Augie packen und schütteln und ihr sagen, dass Unfälle nun mal passieren, dass ich ihr keine Schuld an dem Feuer gebe, an meinen Verbrennungen, dass ich nur dankbar bin, dass sie und P. J. nicht verletzt wurden. Mein Kopf fühlt sich ganz leicht an, und meine Mutter tritt in mein Sichtfeld. »Mama«, sage ich. So habe ich sie seit meinem fünften Lebensjahr nicht mehr genannt.
    »Ich weiß.« Ihr Kinn zittert. »Ich weiß.«

AUGIE
    Nachdem wir die Schüsse gehört haben, hämmert das kleine Mädchen, das mit mir im Schrank eingesperrt ist, mit ihren Fäusten gegen die Tür und wirft sich dann selbst dagegen. »Pst«, sage ich. »Alles wird gut.« Aber ich weiß, das stimmt nicht. Sie weint so sehr, dass ihr das Atmen schwerfällt.
    »Pst, ich soll den Notruf wählen«, erkläre ich ihr. »Meine Mom sagt, ich soll 9-1-1 anrufen.« Ich tippe die drei Nummern ein, und ein Mann geht ran, aber wegen des lauten Weinens des Mädchens kann ich ihn kaum verstehen. Schließlich platze ich einfach heraus: »Ich bin in der Schule, in Mrs Olivers Klassenzimmer, und er schießt. Ich bin mit einem anderen Mädchen im Schrank. Bitte schicken Sie Hilfe. Bitte!« Dann lege ich auf und hoffe, dass er mit den Informationen irgendetwas anfangen kann.
    Irgendwann wird das Schluchzen des Mädchens leiser, und es rollt sich in einer Ecke zusammen. Ich leuchte mir mit dem Licht des Handys ins Gesicht, damit sie mich sehen kann. »Ich bin Augie.« Ich setze mich neben sie und leuchte nun sie an. Ihr Gesicht ist ganz fleckig, und sie gibt kleine Schluckaufgeräusche von sich und nuckelt am Daumen.
    Sie zieht den Daumen aus dem Mund und sagt: »Ich bin Lucy«, bevor sie ihn wieder hineinsteckt.
    Ich höre auf der anderen Seite der Tür jemanden weinen, aber es ist nicht P. J. »P. J.«, rufe ich durch die geschlossene Tür. »Geht es dir gut?«
    »Ja, alles in Ordnung, war nur ein Versehen«, ruft er zurück, und ich sacke erleichtert auf dem Boden zusammen. Nur ein Versehen, denke ich.
    »Die Polizei kommt«, sage ich zu Lucy und hoffe, dass es stimmt.
    Lucy fängt an zu schniefen. »Was, wenn er wieder anfängt, zu schießen?«, fragt sie sich laut.
    »Halt durch, in wenigen Minuten sind wir hier raus«, verspreche ich ihr. Ich schaue auf das Handy und sehe, dass der Akku fast leer ist. Schnell tippe ich noch einmal die Nummer meiner Mutter ein, aber nach dem vierten Klingeln schaltet sich die Mailbox ein. »Mom«, sage ich. »Ich bin’s, Augie. P. J. geht es gut. Ich rufe dich später noch mal an.« Ich will noch mehr sagen, weiß aber nicht, was. »Es tut mir leid«, sage ich schließlich. »Es tut mir so leid.«
    Aus der Klasse kommt eine neue Stimme. Eine Frau. »Du bist das?«, sagt sie laut, als könne sie es nicht glauben. »Warum?«

WILL
    Es hat wieder angefangen zu schneien, aber nicht mehr so heftig. Der Sturm hat seine Kraft verloren, wie ein Kind in den letzten Zügen eines Wutanfalls, dachte Will. Als Holly klein gewesen war, hatte sie die schlimmsten Wutausbrüche gehabt. So frustrierend die auch gewesen waren, hatte Will doch oft lachen müssen, wenn Holly ihren Mund so weit aufriss, wie es ihr nur möglich war, und anfing zu heulen. Wie ein neugeborenes Kalb, das nach seiner Mutter rief. Sein Lachen fachte Hollys Wut natürlich nur noch mehr an, und dann hielt sie
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