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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Autoren: Die Toten Hosen
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superscharfes Sportgel auf Arme, Brust und Schultern. Natürlich viel zu viel: Als ich mich hinter meine Trommeln klemmte, brannte mein ganzer Oberkörper unter einer feuerroten Pelle. Hilflos schwitzend war ich in meinem Körper eingesperrt wie in einer Ein-Mann-Sauna. Selbst mit dem Olivenöl aus dem »Kebap House 200Q« nebenan, das man mir beschafft hatte, ließ sich das Zeug nicht richtig abreiben. Ich saß da wie ein auf links gedrehtes Eichhörnchen hinter meinen Geräten und unterdrückte meine Pein, während es rings um mich herum immer lustiger wurde.
    Nicht viel später brauchte ich aber (fast) jeden Zoll von meinem Alabasterkörper. Als wir für die Fotosession zur fälligen Best-of-Platte »Reich & Sexy« antraten, arrangierten wir um uns herum eine lustvolle Landschaft aus dreizehn nackten Mädchen, ein paar Flaschen Sekt, goldenen Schallplatten, Hundertmarkscheinen und Plattencovern, drapierten alles auf einer Leopardendecke - und plazierten uns dazwischen, so wie Mama und Papa (es war nicht Gott!) uns geschaffen hatten.
    Es sollte eine ironische Anspielung auf das Image des fetten Rockstars werden: All diese blöden Platten hatten wir die ganzen Jahre hindurch natürlich nur gemacht, um an Weiber, Geld und was zu Saufen heranzukommen. Was glauben die Leute denn sonst, wofür es sich lohnt? Fencheltee? Sparbücher? Männerfreundschaften? Schon Jimi Hendrix ging es um die gleichen Dinge; sein Cover von »Electric Ladyland« hatten wir dabei schließlich geplündert. Und James Bond und Tom Jones und Joe Frazier und Schiller und Michelangelo, sie alle waren auf unterschiedliche Weise nicht abgeneigt. Tatsächlich waren Titel und Foto zu einer solchen Platte ein Vorsatz, den es schon zweiJahre lang gab. Bevor wir mit der »Kauf mich!« überhaupt begannen, stand fest: Wenn dieses Album einschlägt, ziehen wir mit einer so konzipierten Veröffentlichung nach. Dann nämlich wären wir erfolgreich, und das gilt auch in unserer Branche als äußerst sexy.
    Wie die meisten Träume, war die Realisierung im Foto-Atelier von Gabo in Hamburg aber höchstens halb so angenehm wie es aussehen mag. Wir hatten uns vorher gegenseitig aufgeputscht in frivoler Erwartung, wie Siebzehnjährige am FKK-Strand: Was, wenn wir einen Ständer kriegten? Doch dann war es natürlich vor allem Arbeit. Bis Mädchen, Männer und Moneten so drapiert waren, daß alle gut und ohne sichtbare Genitalien im Bild waren, vergingen einige schlaffe Stunden. Aber will das überhaupt jemand hören ? Ich möchte nämlich nicht wissen, wie hart es für Sharon Stone und Michael Douglas war, als sie vor der gesamten Filmcrew aufeinanderlagen und loslegten. Ich kann es mir denken und will weiter betrogen werden.
    Deshalb würde ich auch gerne erzähle, daß wir doch einen Ständer hatten, jeder von uns, und die Mädchen kamen auf uns zu und Gabo schimpfte anfangs, weil sie weiter knipsen wollte, doch dann zog auch sie.. .»Reich & Sexy« erschien jedenfalls, im Spätsommer '94, und entgegen allen Erwartungen wurde auch diese Veröffentlichung ein Verkaufserfolg. Wir aber steckten mit unseren Gedanken bereits wieder in einem völlig anderen, neuen Problem, als wir uns daran machten, mit Hilfe von Campis Mutter,John Plain, Matt Danger-field und Monica Byrne, einer Freundin aus Liverpool, die Texte der »Best of« ins Englische zu übertragen.
    Die Auftritte im skandinavischen Festivalsommer und besonders die »Learning English« hatten uns genügend internationales Interesse beschert, so daß wir nun immer öfter gefragt wurden, wovon wir da singen. Nur eine englischsprachige Version von »Reich & Sexy« konnte Aufklärung bringen, und so verfügten wir uns von September bis November wieder ins Studio.
    Ich war immer offen für den nächsten Zug, der in den Bahnhof fährt. Es gab keinen Musikstil, den ich von Anfang an und bis ins Rentenalter durchziehen wollte. Mit »Barrita« zogen wir durch die Berliner Szenekneipen und spielten eine halbe Stunde Folkrock, alles von Woody Guthrie bis zu irischen Saufliedern. Wenn wir gut ankamen, bekamen wir achtzig Mark, sonst sechzig - alle zusammen. Das reichte uns - es ging darum, sich den Arsch vollzukiffen und irgendwo abzuhängen und zu reden, denn Buddhisten und Pfadsucher waren wir mindestens eben so sehr wie Stadtguerilla.
    Nach zwei, dreijahren sagte ich mir aber:Jetzt mußt du lauter werden! 1977, als der Punk in die deutschen Metropolen kam, landete ich mit meinen Percussion-Teilen bei einer
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