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Bis unter die Haut

Bis unter die Haut

Titel: Bis unter die Haut
Autoren: Julia Hoban
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wimmelt es in dem Laden von Dozenten und Professoren.«
    Willow überlegt kurz. »Meinst du diesen Laden, in dem es super eng ist, obwohl er eigentlich riesig ist?«
    »Genau.« Guy nickt. »Man kann sich kaum darin bewegen. Es kommt einem fast ein bisschen so vor, als würde alles von Büchern überwuchert. Die Regale sind vollgestopft und überall stehen riesige Bücherstapel auf dem Boden, sodass man kaum noch zwischen den Regalreihen durchgehen kann.«
    »Und es riecht da drin«, sagt Willow. »Aber nicht nach alten verstaubten Büchern, was ja ganz angenehm ist, sondern nach …« Sie hält kurz inne.
    »Alten Stinksocken«, beendet Guy den Satz für sie.
    »Stimmt.« Willow lacht. »Und die Verkäufer sind echt unhöflich.«
    »Wenn man sie was fragt, hat man immer das Gefühl, sie zu nerven.«
    »Dabei ist es fast unmöglich, irgendetwas allein zu finden, weil alles total chaotisch sortiert ist.«
    »Und trotzdem ist er einfach absolut –«
    »Genial«, fällt Willow ihm ins Wort.
    »Ich seh schon, du kennst den Laden wirklich.« Guy lächelt und betrachtet aufmerksam ihr Gesicht. Willow rutscht unbehaglich hin und her. Plötzlich wird ihr bewusst, wie still es im Magazin ist, wie still und menschenleer.
    »Eigentlich siehst du deinem Bruder gar nicht so ähnlich«, fährt Guy nach einer Weile fort. »Ich meine, ich glaub nicht, dass du mir deswegen bekannt vorgekommen bist.«
    Willow ist sich nicht sicher, worauf er hinauswill, fühlt sich aber deutlich weniger wohl als noch vor ein paar Minuten.
    »Natürlich!«, ruft Guy. »Dass ich Vollidiot da nicht gleich draufgekommen bin – wir sind doch auf derselben Schule, oder? Daher kenn ich dich. Wir sind uns schon mal im Gang über den Weg gelaufen. Du bist erst dieses Jahr zu uns rübergewechselt, stimmt’s?«
    Willow ist viel zu erschrocken, um darauf zu antworten. Sie gehen auf die gleiche Schule? Er kennt sie? Weiß er über sie Bescheid?
    Hastig steht sie auf. »Ich muss wieder runter«, sagt sie nervös. »Ich hätte eigentlich gar nicht so lange hier oben bleiben dürfen.«
    »Oh, okay.« Guy springt ebenfalls auf und folgt ihr, als sie förmlich zum Aufzug rennt.
    Willow bringt es nicht über sich, ihn anzuschauen. Sie starrt auf den Boden des Fahrstuhls, an die Decke, überallhin, nur nicht in sein Gesicht. Es ist, als hätte ihre nette, kleine Unterhaltung niemals stattgefunden. Sie fühlt sich benutzt. Benutzt und dumm . Hat er es die ganze Zeit gewusst? Hat er sich nur deshalb mit ihr unterhalten, um bei seinen Freunden damit anzugeben, dass er es tatsächlich geschafft hat, mit der Neuen zu reden? Der Komischen . Der, die ihre Eltern getötet hat ?
    Das Bedürfnis, sich zu ritzen, wird beinahe übermächtig und sogar noch stärker als vorhin an der Buchausgabe. Sie muss von ihm weg. Sie muss allein sein.
    »Ähm, hör mal, meinst du, wir …«
    »Ich muss gehen.« Willow lässt ihn einfach stehen, stürzt aus dem Aufzug und eilt auf Miss Hamilton zu. Wenigstens dieses eine Mal ist sie froh, ihr mürrisches Gesicht zu se hen.
    »Das hat aber ganz schön lange gedauert.« Miss Hamilton mustert sie argwöhnisch.
    »Ich … Ich musste eine Weile suchen, bis ich das Buch gefunden hatte, das er haben wollte.« Willow folgt ihr hinter die Theke.
    »Allmählich sollten Sie sich mit den Signaturen aber schon ein bisschen besser auskennen«, sagt Miss Hamilton. Entschuldigungen gelten bei ihr nicht.
    »Jetzt seien Sie nicht so streng mit ihr. Ich hab eine Ewigkeit gebraucht, bis ich mich im Magazin zurechtgefunden hab.« Carlos wirft Willow ein mitfühlendes Lächeln zu.
    »Das glaub ich gern.« Miss Hamilton lässt den Blick zwischen den beiden hin und her wandern. »Na schön, Willow, Sie sind fertig für heute. Wir sehen uns dann in ein paar Tagen wieder.«
    Willow schaut überrascht auf die Uhr. Sie hat gar nicht gemerkt, dass ihre Schicht schon zu Ende ist.
    Wieder einen Tag hinter mich gebracht , denkt sie, als sie nach ihrer Tasche greift und eilig zur Tür hinausgeht.
    Sie schiebt sich an den Studenten vorbei, die in Grüppchen vor dem Eingang der Bibliothek stehen, und steuert automatisch auf den Fahrradständer zu. Einen Augenblick später fällt ihr wieder ein, dass sie gar kein Fahrrad mehr hat, dass es immer noch im Haus ihrer Eltern an der Garagenwand lehnt. Wirklich schade – damit wäre der Weg zur Arbeit und zurück viel einfacher gewesen.
    Aber warum sollte überhaupt irgendetwas in ihrem Leben einfach sein?
    Sie verlässt den Campus und
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