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Bis Sansibar Und Weiter

Titel: Bis Sansibar Und Weiter
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blauen Himmel. Allerdings hatte der Wind gedreht und es war deutlich kühler geworden. Trotzdem war es das perfekte Wetter zum Segeln. Glaubte ich wenigstens.
    Der Kapitän hatte seinen Lese-Liegestuhl neben die Haustür gestellt und las Zeitung. Als er mich kommen sah, winkte er mir zu.
    »Was macht die Annemarie?«, fragte er.
    »Die Annemarie? Weiß nicht.«
    Er ließ die Zeitung auf den Boden fallen und bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Blick. »Hast du denn nicht das Gewitter mitgekriegt?«, grollte er.
    »Doch.«
    »Und da schaust du nicht sofort nach, was mit deinem Schiff ist?«, rief er. »Wenn du Pech hast, ist es voll gelaufen und abgesoffen!«
    Ich bekam einen Schreck. Daran hatte ich nicht gedacht. Das Boot hatte keine Abdeckung. Und in der Nacht hatte es einen Wolkenbruch gegeben!
    »Könnten Sie mich schnell hinbringen?«, bat ich.
    Der Kapitän stemmte sich ächzend aus seinem Liegestuhl. »Na, dann komm, Kleiner. Wäre schade um die Annemarie.«
    »Was ist mit Segeln?«, fragte ich, während sich der alte Dodge in den Verkehr einfädelte. »Ich meine, wenn mit dem Schiff alles in Ordnung ist.«
    Der Kapitän schaute zum Himmel und sog die Luft durch seine gewaltigen Nasenlöcher ein. »Hm«, machte er dann.
    »Bitte!«
    »Du wirst genau tun, was ich dir sage?« »Versprochen.«
    »Keine Widerworte?«
    »Keine Widerworte, Chef!«
    Punkt zehn erreichten wir den Jachthafen – und ich konnte aufatmen: Die Annemarie lag genau an der Stelle, an der wir sie festgemacht hatten. Hier draußen am Kanal blies der Wind stärker als in der Stadt, ich war neugierig, ob wir es schaffen würden, unseren Liegeplatz zu verlassen. Schließlich hatte die Annemarie keinen Motor.
    Aber so weit waren wir noch lange nicht. Das Boot war bei dem Unwetter zwar nicht voll gelaufen, aber viel fehlte nicht. Deshalb schöpften wir zuerst mit zwei kleinen Töpfen, die wir in der Kajüte fanden, das Wasser aus dem Kielraum, der »Bilge«, wie mir der Kapitän erklärte. Dort stand es fast einen halben Meter hoch. Wir hatten ganz schön zu tun, bis alles raus war.
    Nachdem er mir gezeigt hatte, wie man die Segel setzt, brachte mir der Kapitän die drei wichtigsten Seemannsknoten bei. Und schließlich erzählte er mir von auflandigen und ablandigen Winden, von abfallen und anluven, von backbrassen und achteraus, vom Unterschied zwischen Ruderrad und Ruderpinne, von Strömungen und Fahrtrinnen.
    Obwohl ich mich echt anstrengte, ihm zuzuhören, gelang mir das nicht richtig. Linda fehlte. Solange sie nicht gekommen war, würde ich Halsen und Wenden, Luv und Lee, Backbord und Steuerbord niemals auseinander halten können.
    Irgendwann merkte auch der Kapitän, dass ich nicht ganz bei der Sache war. »Soll ich dir nun Segeln beibringen oder nicht?«, pfiff er mich an. »Knalltüten haben auf dem Wasser nichts verloren!«
    »Ja, Chef.«
    Zwei Stunden später waren wir noch immer keinen Meter gesegelt. Dafür wusste ich jetzt eine Menge über Ebbe und Flut und Kreuzen vor dem Wind. Alles schön und gut, aber ich wollte endlich zum Binsensee! Wenn das noch lange so ging, wurde das nie was!
    Endlich war der Kapitän fertig und gab das Kommando zum Ablegen. Ich machte gerade die Leinen los – da kam Linda mit ihrem Mountainbike aufs Hafengelände gerast. Sie machte eine Vollbremsung, ließ das Rad vor der Kaimauer einfach auf den Boden fallen und sprang im letzten Augenblick an Bord. »Tut mir Leid«, keuchte sie. »Ich musste was erledigen!«
     
    Linda konnte segeln, mein lieber Mann! So war es kein Wunder, dass die Annemarie sich ohne Probleme zur Mitte des Kanals drehte, dort schnell Fahrt aufnahm und sich – mit dem Wind von achtern oder wie immer das in der Seglersprache hieß – in Richtung Binsensee bewegte. Hätte ich nicht gewusst, dass sich Linda und der Kapitän am Tag zuvor zum ersten Mal gesehen hatten, hätte ich die beiden für ein eingespieltes Team gehalten. Irgendwann setzten wir sogar den Spinnacker. Das große ballonförmige Segel blähte sich auf und ließ uns fast fliegen.
    Auf dem Binsensee übernahm Linda das Ruder. Und irgendwann überließ sie es mir. Nach einigen Manövern, die schief gegangen wären, hätte mir Linda nicht geholfen, spürte ich, wie mir das große Boot zu gehorchen begann, wie es auf eine leichte Drehung des Rads die Richtung wechselte.
    »Ich kann’s!«, brüllte ich begeistert. »Ich kann’s!« »Gar nichts kannst du«, sagte Linda trocken. »Bis jetzt bist du nur ein Badegast.«
    »Ein
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