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Bis Sansibar Und Weiter

Titel: Bis Sansibar Und Weiter
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Rest aus seiner Whiskeyflasche.
    Ich nickte.
    »Das ist schön«, sagte er.
    »Häh?«
    »Dass du keine Worte hast, Kleiner«, antwortete er. »Die Leute meinen immer, sie müssten über alles quatschen. Dabei hielten sie besser mal den Schnabel.«
    Offenbar bekam der Kapitän jetzt seine philosophischen fünf Minuten. Der alte Seebär wollte noch etwas sagen, da bog der Ferrari in die Einfahrt. Oma und Mama hatten die Entwürfe für Jan Jansen zur Post gebracht und waren danach noch einkaufen gewesen. Jetzt sprangen die beiden aus dem Smart und kamen angelaufen.
    »Toll!«, rief Oma und schnappte nach Luft, weil sie soschnell gerannt war. Neunzig Kilo in Bewegung zu setzen, braucht nun mal eine Menge Energie. «Ganz toll!« «So ein schönes Schiff«, sagte Mama leise.
    »Mögen Sie es?«, fragte der Kapitän. Wenn er mit ihr sprach, wurde seine Stimme sanft.
    Sie nickte.
    »Morgen bringen wir die Annemarie zum Kanal«, sagte er.
    Oma griff in ihre Handtasche und reichte mir einen Briefumschlag, auf dem mein Name stand. »Den hab ich vor der Haustür gefunden«, sagte sie.
    Ich ging ein paar Schritte zur Seite und öffnete den Umschlag. Die Schrift war krakelig, immer wieder waren Wörter durchgestrichen. Es sah aus, als sei der Brief in großer Eile geschrieben worden.
    »Lieber Marius«, las ich. »Ich kann verstehen, dass du sauer bist. Dabei habe ich nichts mit Lennart, glaub mir. Wir haben uns zufällig in der Stadt getroffen und er ist mit zu mir gekommen. Er wollte sich für die Sache mit dem Ausziehen entschuldigen und ich habe seine Entschuldigung angenommen. Hätte ich das etwa nicht tun sollen? Mehr war nicht, das schwöre ich.
    In eurem Garten steht ein altes Boot. Bringst du es in Ordnung?
    Tschüss
    Linda«
    »Gibt es gute Nachrichten?«, fragte Oma, als ich zurückkam.
    Ich zuckte mit den Schultern. Was zwischen Lindaund mir war, ging niemanden was an – und schon gar nicht meine Großmutter.
    »Vielleicht«, antwortete ich und lief ins Haus.
    Dort hängte ich mich ans Telefon und wählte Lindas Nummer. Sie war sofort dran.
    »Hast du morgen Zeit?«, fragte ich.
    »Wieso?«
    »Um zehn?«
    »Morgens?«, fragte sie zurück.
    »Ja. Kommst du zu mir?«
    »Klar«, antwortete sie. »Du, Marius?«
    »Morgen«, sagte ich und legte auf.
     
    Linda kam nur zehn Minuten zu spät. Sie trug einen Jeansanzug und weiße Turnschuhe. Die Schwellungen in ihrem Gesicht waren fast verschwunden. »Hallo«, sagte sie.
    »Hallo.« Der Kapitän hob nur wortlos die Hand und machte sich weiter am Bootsanhänger zu schaffen.
    »Tolles Schiff«, sagte Linda und schnalzte mit der Zunge. »Ein alter 20er Jollenkreuzer. Allererste Sahne.« Donnerwetter, sie schien sich wirklich auszukennen.
    »Wir bringen die Annemarie zum Kanal«, sagte der Kapitän. »Willst du mit?«
    »Aber logo!« Linda rutschte auf den Rücksitz des Straßenkreuzers, der Kapitän und ich stiegen vorn ein.
    Erst wollte der Dodge nicht anspringen, er gab spuckende Geräusche von sich und gluckste, als ob er sich im nächsten Moment übergeben wolle. Doch der Kapitängab nicht auf. Und schließlich begann der Motor, zunächst stockend, dann immer gleichmäßiger zu brummen. Wir rollten mit der Annemarie im Schlepp von unserem Grundstück auf die Straße, durchquerten die Innenstadt und bogen hinter dem Bahnhof zum Kanal ab. Der Kapitän fuhr nie schneller als dreißig und ließ sich auch durch das wütende Gehupe der Autofahrer hinter uns nicht davon abbringen.
    Auf dem Kanal waren früher Lastkähne unterwegs gewesen. Inzwischen hatte man einen Hafen für Sportboote angelegt. ›MARINA‹ stand in großen Buchstaben auf einem Hinweisschild. Hierhin lenkte der Kapitän den Dodge. Vor einem zweistöckigen Haus mit dem Schild »Hafenmeisterei« stellte er den Motor ab.
    »Bin gleich wieder da«, sagte er, schob sich vom Fahrersitz nach draußen und verschwand in der gläsernen Eingangstür.
    Es dauerte keine Minute, dann kam der Kapitän zurück. »Alles klar«, sagte er und drehte den Zündschlüssel herum. Diesmal sprang der Dodge ohne Murren an. »Haben Sie einen Liegeplatz gekriegt?«, fragte Linda. Der Kapitän nickte.
    »Und was kostet er?«
    »Nichts.«
    »Das gibt’s nicht!«, rief sie.
    »Das gibt’s, Kindchen«, sagte der Kapitän und grinste von einem Ohr zum anderen. »Beziehungen sind alles.« »Er ist um Kap Hoorn gesegelt«, erklärte ich.
    »Ich auch«, sagte Linda.
    Wie auf Kommando brachen der Kapitän und ich in schallendes Gelächter aus.
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