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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Vladimir Ulrich
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Rachel habe ich längst irgendwo unterwegs verloren. Sie war ja eine g e standene Person, die das Alleinsein vertrug. Und sie schien mir froh zu sein, ei n fach im eigenen Tempo ohne viel Reden die restliche Strecke zu passieren, statt sich nach mir zu richten. Es war einfach nicht die passende Zeit, nicht der pa s sende Ort für galante Gespräche.
    Dann ging es bergab zum Meer, was freilich noch eine ganze Weile dauerte. Auch hatte man sich wieder mit der Zivilisation, beziehungsweise mit ihrer hä ß lichen Kehrseite, auseinanderzusetzen, abzufinden. Aber das blaue Meer stand überall dahinter und machte alles, ja sogar die Autos, irgendwie resch und e r träglich. Ich konnte den Regenponcho ausziehen und mich meines kurzen Bei n kleids freuen. Ich war wieder passend angezogen. Die Reste der Krankheit brö c kelten ab von mir. Cée, die letzte Stadt vor dem Ziel, war plötzlich da. Mit bre i ten Straßen, einer Strandpromenade und einem luxuriösen französischen Ei n kaufszentrum, wo ich euphorisch alle möglichen Leckereien einkaufte und eine ganze Reihe davon sogleich auf einer Bank der Seepromenade mit großem A p petit aß. Das Panorama diente mir als Nachspeise. Simon kam vorbei, hielt sich aber nicht lange mit mir auf. Es zog ihn über den letzten Berg nach Finisterre . Unaufhaltsam zog es ihn. Nicht einmal meine Leckereien konnten ihn aufhalten. Ich aber wollte diesen Augenblick genießen. Ahnte ich doch, daß so eine Gel e genheit, auf einer einsamen Bank vor der blauen Bucht zu faulenzen, nicht so schnell wiederkommt. Ich bedauerte, mit dem Rauchen aufgehört zu haben, denn um wieviel köstlicher wäre der Augenblick in einer würzigen Duftwolke aus feinstem englischen Pfeifentabak. Ich konnte es fast schon riechen. Das Rauchen war für mich freilich längst passée , eine bloße Erinnerung an längst vergangene Zeiten und Sünden, doch in außerordentlichen Situationen wie di e ser brach das Verlangen plötzlich mit bemerkenswerter Intensität auf. Was mir keine Probleme bereitete, denn ich wurde nicht rückfällig. Aber etwas mußte ich da tun, und ich zog die Stiefel und alle überflüssige Kleidung aus und ließ mich von der milden Sonne streicheln, die sich seit dem Bierzo nur sporadisch zeigte und dann meist nur lästig war.
    Dann ging es weiter, wie üblich. Der Fluß hat zu fließen. Nur der letzte Berg stand noch zwischen mir und dem Ziel. Ich ging, schwitzend und klagend über den Sonnenbrand, den ich mir während der Pause holte. Nicht zu sehr, ich wu ß te, daß das Leiden nur kurz sein wird. Schon ging es steil hinunter zur Küste n straße und einem fast kitschigen breiten Strand darunter, an dem sich die Kraft der langen atlantischen Wellen brach. Ein Ausflugsrestaurant stand bereit. Alles wie im Sommer, nur die Hauptreisezeit war vorbei und die Sommergäste weg. Die Ruhe der Nachsaison. Das letzte Stück führte an gigantischen Stränden, die man über gepflegte Holzstege erreichen konnte, und an kleinen Restaurants vo r bei. An diesem Strand mochte der litauische Junge nach der mythischen M u schel für seine Großmutter tauchen, bestimmt würde er welche finden. Auch wenn solche vom Ozean bestürmte Küsten recht tückisch sein können. Es war mir allerdings ein Rätsel, warum ich damals, als ich hier mit dem Auto unte r wegs war, nichts von diesem gigantischen Strand bemerkte, beziehungsweise, warum mir dieser schöne Anblick nicht im Gedächtnis blieb. Schon marschierte ich durch die ersten Straßen des Finisterre . Einst ein Kaff, auf dessen Straßen sorglos die Hunde im Staub schliefen, heute eine richtige kleine Stadt mit einem romantischen Hafen und allem, was zu einem attraktiven Touristenzentrum g e hört. Die aufsässigen Galicier nennen es Fistera . Alles heißen sie keltisch, alles beschmieren sie mit Aufrufen nach Unabhängigkeit, penetrant, besessen und wohl vergessend, daß sie ohne die schnöden Spanier heute wohl arabisch spr e chen würden. Vielleicht werden sie es auch bald tun, Mauren sind wieder in Scharen nach Europa unterwegs und vermutlich nicht mehr aufzuhalten. Sie werden vor den Galicien nicht haltmachen, wie sie es im achten Jahrhundert auch nicht taten. Was mir eigentlich gleich sein konnte. Über die Geschicke G a liciens hatte ich keine Gewalt. Vielmehr galt es, mich um die Übernachtung zu kümmern. Das war mein täglich Brot. Ob in der Herberge noch freie Plätze sein würden? Es war in Spanien immer spannend, bis zum letzten Augenblick. In Fenstern
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