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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Vladimir Ulrich
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erzählte ich ihm von der Pilgerschaft, und wie der Herr mitgegangen, mit dem Gewitter geflogen, mit Blitzen geworfen, wie er auf mich aufgepaßt und mir a l lerlei Gutes getan habe, was den aufrechten Jungen sehr entzückte und erstaunte. Und er wollte mir glauben, obwohl ich nicht vergaß zu erwähnen, niemanden, der mich für etwas verräumt halten würde, wegen der gesunden Menschenske p sis ernsthaft böse sein zu können. Nicht, daß er denke, ich sei vielleicht auch noch gefährlich. Noch nie war der Mensch so mächtig wie heute. Er kann jetzt selbst Blitze schleudern, zwölf Satelliten weisen ihm stets den Weg, und er u n terhält sich rund um die Welt mit einem Taschengerät. Verständlich, wenn ihm ein Cloudcomputing glaubhafter als der Herr in den Wolken scheint.
    Hätte ich gefragt, der Junge hätte mich gewiß bis zum Kloster gebracht. Aber ich wollte es nicht. Von der Autobahn war es nur einige Kilometer weit. Nicht gerade für die Oma, aber die paar Kilometer konnte ich noch laufen. Ohnehin war es mir sehr peinlich, als das mit dem Umweg nach Neumarkt herauskam. Ich ahnte es vorher wirklich nicht. Aber der Junge winkte nur ab. Das sei es ihm wert gewesen, und die Party wolle er jetzt sowieso sausen lassen, es sei ihm nicht mehr danach. Ich verließ ihn, wie ich ihn fand. Mit laufendem Motor im Auto sitzend und die Karte studierend. Ich bat den Herrn, ihn sicher nach Hause zu führen, während ich durch den Wald lief. Es war Vollmond, das Land lag hell im Silber gebadet unter dem sternenklaren Himmel, aber hier im tiefen Wald war es stockdunkel und etwas unheimlich. Doch ich lag gut in der Zeit. Hätte man mich mit dem Wagen vom Bus abgeholt, wäre ich kaum schneller da. Mich also nicht abzuholen, war eine realvernünftige Entscheidung, so etwas war wohl bei mir überflüssig. Soweit mußte ich allen Beteiligten recht geben. Hoffentlich dachte Pater Benedikt daran, die Küchenpforte offen zu lassen. Da müßte ich nicht vor der Tür bis zum Frühgebet warten. Ein Auto kam mit hoher G e schwindigkeit von hinten heran, erfaßte mich mit gleißenden Lichtkegeln, rauschte vorbei und blieb an der Kreuzung vor mir stehen. Ich rechnete nicht damit, daß man mich mitnehmen könnte. Noch nie nahm mich hier jemand mit, ob tags ob nachts. Das hier war eine realdenkende hartherzige Bauerngegend, hier sorgte jeder für sich, so gut er konnte. Das reichte dann auch gerade so eben. Aber der junge Bursche am Steuer des sportlichen Gefährts meinte, er h a be gerade daran gedacht, wie nett es doch wäre, wenn er jemanden mitnehmen und eine gute Tat tun könnte. Um zwei Uhr nachts dachte er daran, woran denn sonst. Und er versicherte, er sei nicht betrunken. Er brachte mich zur Kloste r pforte, die versperrt, dann um das Kloster herum auch noch zum Küchenei n gang, der unversperrt war. Er wollte für alle Fälle noch warten, aber ich entließ ihn. Ehrlich gesagt, war mir so viel Fürsorge inzwischen fast zu viel. Lag da ein Sinn dahinter? Wollte mir der Herr etwas zeigen? Es war spät, ich war seit zwei vollen Tagen unterwegs. Ich wollte mich damit später befassen.
    Draußen noch konnte ich sehen, daß im Refektorium Licht brennt. Licht bre n nen lassen war im Kloster verpönt, man hatte mit allen Ressourcen sparsam u m zugehen, weil sie Gottes Geschenk sind. Nach einer Weile ging es einem ins Blut über, und man machte überall das Licht aus, zog Wasserhähne zu, schloß Türen und Fenster und ähnliches. Ich ließ meinen Rucksack im Treppenhaus stehen und sah nach. Auf dem Platz, der üblicherweise mir zustand, wenn ich da war, schlief Pater Benedikt im Stuhl über einem weißen Tischgedeck. Solchen Tischgedeck bekam man als Klosterbruder, wenn man ein wichtiges Jubiläum feierte. Einem Gast wie mir stand so etwas nicht zu. Pater Benedikt legte es wohl aus eigenem Entschluß zur Begrüßung auf. Sogar ein Weinglas war dabei. Es war die größte Ehre, die er mir mit seinen kleinen Mitteln erweisen konnte. Ohne die Erlaubnis des Abtes war es wohl eine Eigenmächtigkeit und ein Ve r stoß gegen das Gebot der Demut. Ich glaube nicht, daß er die Erlaubnis hatte, nur ein reines Herz. Ich war zu Hause.
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