Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Fischnapping
Vom Netzwerk:
gerade schwarz-weiß. Eher verschwommen grün. Um
ehrlich zu sein, ich kann Gesichter nicht besonders gut auseinanderhalten. Die
Menschen sehen sich doch im Grunde alle irgendwie ähnlich, finden Sie nicht,
im Gegensatz zu unseren Fischfreunden. Ich meine, ich würde Mutter Teresa
selbst in einem Teich mit hundert anderen auf der Stelle ausmachen, der fromme
Blick, die strenge Linie der Schwanzflosse, was beides auf die ältere Seele in
dem jüngeren Körper hinweist. Aber auf der Aufnahme ist eindeutig ein Mann zu
sehen, Ihre Größe, Ihre Statur, wie er über den Zaun hüpft, zum Teich
schleicht, mit Niedertracht im Herzen. Ich habe auf Überwachungsbändern ja schon
so allerhand merkwürdige Dinge gesehen, MrGreenwood, aber was er als Nächstes
gemacht hat, schießt den Vogel ab. Wissen Sie, was er gemacht hat?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Möchten Sie raten?«
    Ich schüttelte wieder den Kopf. So langsam saß ich wie auf
heißen Kohlen.
    »Er hat zwei riesige Stangen Toblerone auf den Steg gekippt.
Wieso macht einer so was?« Er fixierte mich mit einem Starrblick. Zum ersten
Mal sah er aus wie, na ja, ein Polizist.
    »Warum fragen Sie mich das?«
    »Ich will Ihnen sagen, warum. Weil Sie mit Audrey
Greenwood verheiratet waren, bevor sie sich von Ihnen scheiden ließ und sich
fürs Querfeldeinradeln und für andere Aktivitäten mit meiner Frau Michaela
begeisterte, die sich, soweit ich weiß, derzeit noch irgendwo in England
aufhält. Michaela mag sehr gern Toblerone.«
    »Ach ja?«
    »Für ihr Leben gern. Sie konnte eine von diesen kleinen
Stangen ganz schlucken, und sie hat immer einen gleichnamigen Cocktail
getrunken, eine Mischung aus Kahlúa, Frangelico, Baileys, Sahne, Milch, Creme
de Cacao und Honig. Sie hat mir einen in unserer Hochzeitsnacht gemixt, damit
ich meine Hemmungen verliere, wie sie sagte. Das Einzige, was ich verloren
habe, war meine Magenschleimhaut.«
    »Naja, Hochzeitsnächte können selbst die Erfahrensten
unter uns ganz schön nervös machen. Meine hab ich überwiegend in der
Notaufnahme verbracht, hab ich Ihnen das schon mal erzählt?«
    Er fuhr unbeirrt fort. »Doch neben ihrer Vorliebe für
Toblerone hegt meine Frau einen unnatürlichen Hass auf Karpfen im Allgemeinen
und Mutter Teresa im Besonderen. Sie nahm Anstoß an ihrer Ausgeglichenheit,
ihrer unerschütterlichen Andacht, meinte, meine Fische wären mir wichtiger als
sie. Was natürlich irgendwann auch der Fall war, aber aus durchaus
verständlichen Gründen.«
    »Okay. Ihre Frau hatte also ein gestörtes Verhältnis zu
Fischen, ein bisschen wie Audrey. Wieso erzählen Sie mir das?«
    »Weil ich glaube, dass Sie meinen Fisch gestohlen haben,
mit Michaelas Hilfe. Zugegeben, die Filmaufnahmen sind sehr unscharf, weshalb ich
Sie damit nicht überführen kann. Aber die Umstände sagen mir, dass ich mit meinem
Verdacht richtigliege. Sie waren der Letzte, der Mutter Teresa gesehen hat. Sie
haben einen leeren Teich, den Sie auf Vordermann gebracht haben, wie Sie sagen.
Ich denke, die Tatsache, dass Michaela meine Fische hasst, und die Tatsache,
dass ich Sie wegen eines Mordes, den Sie nicht begangen haben, beinahe für
zwanzig Jahre hinter Gitter gebracht hätte, könnten Sie beide zusammengeführt
haben, trotz gegenseitiger Antipathie. Für ein verbrecherisches Ziel finden
sich mitunter die seltsamsten Gespanne. Außerdem waren Sie unübersehbar von
Mutter Teresas Schönheit bezaubert, als Sie sie gesehen haben. Was ich Ihnen
nicht verdenken kann. Wo ist sie? Im Teich?«
    Er wartete gar keine Antwort ab, sondern lief schon durch
die Diele und in den Wintergarten, ehe ich ihn aufhalten konnte. Der Hai
bremste ihn kurz, dann sah er meine zweite Skulptur an der Mauer. Er ging drum
herum, strich mit der Hand über ihren Rücken. Sie sind doch alle gleich.
    »Sie haben ein gutes Gespür dafür, MrGreenwood, die
seidene Glätte, die Wölbung des Bauches, die lockenden Schmolllippen. Wenn
dieser bedauerliche Vorfall nicht wäre, hätte ich vielleicht so einen für meine
erweiterten Wasserspiele in Auftrag gegeben. Ich gebe derzeit einen Haufen Geld
dafür aus. Aber das wissen Sie ja bereits, nicht wahr?«
    Er ging durch den Garten zum Teich. Ich dackelte hinterdrein.
Ich sah, wie nebenan bei Michaela die Hintertür aufging und ganz schnell wieder
zugeknallt wurde. Vielleicht konnte ich ihr die ganze Schuld in die Schuhe
schieben, ihm weismachen, dass sie mich verleitet hatte, darauf hinweisen,
dass die unterdrückten Begierden, mit denen ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher