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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim
Autoren: Fischnapping
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gebrauchte dieses Wort in einer Szene mit Jean
Arthur in dem Western Mein großer
Freund Shane. Mum war damals mit mir nach Bournemouth ins Kino
gefahren. Weil ich den Film so toll fand, stiegen wir gleich am nächsten Tag
wieder in den Bus, um ihn uns noch einmal anzusehen, und am darauffolgenden
Tag noch einmal. Beim vierten Mal bekamen wir jeder einen Becher Vanilleeis spendiert
und durften gratis ins Kino. »Das war ein sehr elegantes Abendessen, Mrs
Starrett«, hatte Shane gesagt, und ich benutzte den Satz auch manchmal bei Mum,
als sie noch am Leben war. »Das war ein sehr elegantes Abendessen, Mrs
Greenwood«, sagte ich, und dann wurde sie rot, genau wie Jean Arthur, als wäre
es das Netteste, was sie je aus dem Munde eines Mannes gehört hatte. Natürlich
war das Wort »elegant« im Zusammenleben mit Audrey ziemlich außer Gehrauch
gekommen.
    »Ich bin Ihnen was schuldig, Al«, sagte Mrs Blackstock.
»Wir alle. Wir haben Ihnen unrecht getan. Sie abholen ist das Mindeste, was ich
tun kann. Und ich heiße Alice, nicht Mrs Blackstock.« Sie trommelte mit den
Händen aufs Lenkrad, als wäre es eine Bongo. »Na los, steigen Sie ein. Nichts
wie raus aus dieser Stadt.«
    Ich tat wie geheißen. Alice hockte auf zwei Kissen und
einem Telefonbuch. Sie konnte kaum übers Armaturenbrett blicken.
    »Ist mal was anderes«, sagte ich und machte es mir auf dem
Beifahrersitz bequem, »ich der Fahrgast, Sie am Steuer. Ich wusste gar nicht,
dass Sie fahren können.«
    »Ich auch nicht. Da.« Sie streckte die Hand aus. »Das wird
Ihre Nerven beruhigen.«
    Ich zündete den Joint an, inhalierte tief und spürte, wie
mir der Kopf langsam von den Schultern rollte und über den Rücksitz hüpfte. Der
Citroën fuhr mit einem Ruck an. Erster Gang, zweiter. Ich wartete. Nach zehn
Minuten klang der Motor allmählich wie ein Esel, der sich mit sich selbst
vergnügt.
    »Haben Sie mal die Möglichkeit erwogen, den Gang zu
wechseln?«, fragte ich.
    Alice legte den Kopf schief. »Meinen Sie, ich sollte?«
    »Wäre vielleicht nicht schlecht.«
    Sie überlegte einen Moment. »Und welchen Gang würden Sie
empfehlen?«, fragte sie.
    Ich nahm wieder einen Zug, hielt drei Finger hoch.
    Sobald wir aus London raus waren, gondelten wir mit
zweiundvierzig Meilen die Stunde über die Autobahn.
    Unter den gegebenen Umständen kam mir das ziemlich schnell
vor. Das Telefonbuch rutschte andauernd unter ihr weg. Aber egal. Es fuhr
ohnehin niemand vor ihr. Einmal schloss ein Polizeiwagen zu uns auf, und ich
dachte, herrje, gerade mal eine Stunde aus dem Knast, und schon kassieren sie
dich wegen Beihilfe wieder ein, aber sie rückte ihren Hut zurecht, zwinkerte
ihnen zu und winkte mit den Fingern, als sie davonbrausten.
    »Polizisten mögen mich«, sagte sie. »Ich könnte ungestraft
mit Mord davonkommen, wenn ich wollte.«
    Das war eine interessante Vorstellung.
    »Und wen würden Sie ermorden, wenn Sie wollten?«
    Sie packte das Lenkrad fester, gab Gas. Die Nadel zitterte
um die Dreiundfünfzig-Meilen-Marke. »Zunächst mal Ihre neuen Mieter. Drei
Monate und schon denken die, das Haus gehört ihnen. Anfangs konnte ich sie ganz
gut leiden, große Naturliebhaber, aber dann haben sie angefangen, sich über
die Musik zu beschweren. So fang ich mittlerweile meinen Tag an, indem ich
ordentlich aufdrehe.«
    Ich tätschelte ihr die Hand. »Machen Sie sich wegen der
Nachbarn keine Gedanken, Alice. So, wie wär's, wenn Sie mich den Rest der
Strecke fahren lassen? Sich noch einen Joint drehen? Mir erzählen, was so alles
passiert ist?«
    »Fahr ich so schlecht?« Sie versuchte, es sich nicht anmerken
zu lassen, aber sie war gekränkt.
    Ich gab ihr einen Kuss. Ihre Haut war ganz dünn und zart.
»Mrs B. So spitzenmäßig wie von Ihnen bin ich in meinem ganzen beschissenen
Leben noch nicht kutschiert worden, verzeihen Sie meine Ausdrucksweise. Aber
jetzt halten Sie an. Lassen Sie mal den Häftling 89576846 ans Steuer.«
    Sie schlingerte auf die Standspur. Ich stieg aus. Sie
rutschte rüber. Ich stieg wieder ein, stellte den Sitz für mich ein, ließ den
Sicherheitsgurt einrasten. Im Rückspiegel sah ich einen Riesenmöbelwagen auf
der Innenspur angerast kommen, keine halbe Meile entfernt. Aus dem Ausland, dem
Kennzeichen nach. Heutzutage sind unsere Straßen voll von ausländischen Lastern.
Deshalb findet man auch keine anständigen Raststätten mehr, wo immer eine
Bratpfanne voll mit qualmendem Fett bereitsteht. Diese ausländischen Fahrer
futtern doch bloß eingelegte
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